et nordlys hat geschrieben:Ich denke, fast jeder Job hat in Norwegen mehr Chancen als hier in Deutschland.Das liegt schon alleine daran, das das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei Jobs in Norwegen vorteilhafter ist.Selbst als es in Deutschland eine Arbeitslosenquote von nur 6 % gab konnte man sich in den meisten Branchen den Arbeitgeber aussuchen, solange man etwas flexibel war. (Heute muß man schon extrem flexibel sein anscheinend:-) )
Mit dem Text nach diesem Zitat bin ich ja durchaus einverstanden, zu dem hier zitierten Satz muß ich aber widersprechen.
Grundsätzlich rate ich ja eigentlich jedem Interessenten wenn sie/er die Kombination einer gewissen Begeisterung für Norwegen mit einem brauchbaren Job mitbringt dazu, hier ihr/sein Glück zu versuchen. Eine Perspektive auf eine mittelfristige Besserung des deutschen Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme sehe ich ohnehin nicht, ganz im Gegenteil kann das durchaus noch schlimmer werden

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Der Umkehrschluß der sagt es ist wesentlich leichter in Norge Arbeit zu finden stimmt so aber nur sehr bedingt. Auch hier gibt`s eine ganze Menge Arbeitslose, speziell auch unter Einwanderern und mit ähnlicher sozialer Ausprägung wie in Deutschland (z.B. viel mehr arbeitslose Frauen als Männer u.ä.). Auch hier gibt es Langzeitarbeitslose, wenn hier auch wohl in Richtung auf Qualifizierung usw. besser durch aetat darauf reagiert wird. Es gibt aber sehr wohl auch hier Probleme, sowohl bei quasi nicht vermittelbaren norwegischen Arbeitslosen (vor allem mit Einwanderer-Hintergrund) als auch bei gescheiterten deutschen Einwanderern die nach einer gewissen Zeit dann eben doch nach Deutschland zurückgehen.
Auch wenn die offizielle Arbeitslosigkeit nur bei 3 bis 4 Prozent liegt sagt das nicht daß man sich die Jobs großartig aussuchen kann; in meinem Umfeld habe ich viele Leute kennengelernt die in eher ungeliebten Jobs ihr Dasein fristen oder häufiger wechseln. Es gibt auch einen sehr hohen Anteil von Teilzeit- bzw. Zweitjobs in Norge, das hat schon seine Gründe.
Jetzt wo die Wahlen in Norge näher rücken kommen auch wieder mehr politische Auseinandersetzungen in die Öffentlichkeit - so hat sich der Direktor des UDI (die Ausländerbehörde) in der vergangenen Woche für eine verstärkte Öffnung Norwegens für eine Einwanderung und die stärkere gezielte Anwerbung auch in Niedriglohnjobs ausgesprochen. Das Presseecho am nächsten Tag war recht eindeutig - solange es nicht wenige Einwohner Norwegens gibt die über Jahre keinen vernünftigen Job finden solle er sich das lieber gründlich überlegen und erstmal dafür sorgen daß diejenigen Jobs bekommen die schon jahrelang hier sind....
Über diese Risiken und möglichen Schwierigkeiten sollte man sich schon auch Gedanken machen und nicht nur durch die "rosarote Brille" gucken oder davon ausgehen daß es hier einfach besser sein muß weil ja in Deutschland fast alles schlechter ist...
So einfach ist das nämlich leider nicht. Aus eigener leidvoller Erfahrung muß ich sagen daß man auch auf gar keinen Fall den Fehler machen sollte sich so zu verkaufen wie es das deutsche Arbeitsamt seiner ordnungsgemäß devoten Kundschaft abverlangen möchte. Wer hier nämlich seine außerordentliche Bereitwilligkeit betont so ziemlich alles zu machen um einen Job zu bekommen muß bei asozialen Arbeitgebern (und die kann es in Norge ebenso geben wie in Deutschland) auch damit rechnen daß man versucht mit ihm als Arbeitnehmer alles zu machen...
In meiner Brache (Transport & Spedition) ist europaweit Lohndumping angesagt und auch Norge bleibt trotz und entgegen solider Tarifverträge da nicht unberührt.
Es ist zwar sowohl richtig daß schon der Umgangston und das Betriebsklima hier meistens besser oder zumindest anders sind als in Deutschland; wenn aber sich auf eine begehrte norwegische Stelle halt "nur" 50 oder 60 Leute bewerben (während es vergleichbar in Deutschland etliche hunderte sind) dann sind die konkreten Jobchancen für den Einzelnen nur unwesentlich besser

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Auch in Norge landen 30 bis 50 % aller neu zu besetzenden Stellen niemals beim Arbeitsamt oder werden in Stellenanzeigen usw. veröffentlicht sondern werden intern oder vor allem mittels "Vitamin B" besetzt. Eine Jobsuche über aetat ist zwar wesentlich angenehmer als über die deutsche Arbeitsagentur, gleichwohl sind die Vermittlungschancen nicht so schrecklich viel höher. Vom Grundsatz her rate ich auch davon ab, sich ohne genauere Recherche vor Ort einfach so aus der Ferne auf jeden Job zu bewerben. Es gibt natürlich Bereiche wie das öffentliche Gesundheitswesen oder Universitäten oder dergl., da kann man damit vermutlich nicht viel falsch machen. In der Industrie oder einer Branche wie meiner scheint es mir besser sich vor einer Bewerbung so gut wie möglich über den Arbeitgeber schlau zu machen. Weil das aus der Ferne schwierig ist wird das ohne Besuche hier (zum Beispiel im Urlaub) kaum gehen. Umgekehrt ist aber auch genau das eine gute Möglichkeit diesen Faktor des "gar-nicht-erst-ausschreibens" offener Stellen ein Stück weit zu umgehen. Wer sich hier initiativ genau da bewirbt wo er aus Überzeugung gerne arbeiten würde und auch vor Ort freundlich nachfragt dürfte zigfach bessere Chancen haben als derjenige der sich aus dem Ausland schriftlich bewirbt selbst wenn der tolle Qualifikationen hat.
alsterix