Arne.R. hat geschrieben:
Ich finde nicht, daß wir Ausgewanderten besonders euphorisch sind. Warum findest du das?
Ist auch nicht meine Meinung. Ich habe lediglich auf einige euphorische Beiträge abzielen wollen, die sich durchaus und wiederholt in diesem Forum einfinden. Dabei habe ich jedoch weder dich, Arne, noch ansonsten jemanden persönlich angreifen wollen.
Ich persönlich wäre zurückhaltender mit Schlußfolgerungen wie: "Das Hochschulniveau in N sei zumindest in Teilbereichen auf einem so bedenklichen Level, daß angehenden Studiengängern eine intensive Vorprüfung ans Herz gelegt wird."
oder "Verhält man sich als Ausländer nicht unauffällig und angeglichen, trifft man auf eine (fast nicht mehr) unterschwellige Ablehnung (...)"
Diese Schlußfolgerung spiegelt nicht meine Meinung wieder sondern sie hat sich mir ganz einfach beim Studium des Beitrages aufgedrängt. Das heißt natürlich nicht, daß ich mir diese Auffassung auch gleich zu eigen machen muß.
..........von Repräsentativität kann ja wohl keine Rede sein...........
Hierbei stimme ich dir zu. Trotz allem hat, wie ich bereits betonte, dieser scheinbare Widerspruch mir ziemliche "Koppgedanken" bereitet. Und die laß ich mir halt nicht nehmen.
.......weil diese Erfahrungen sehr wahrscheinlich nicht für einige und schon gar nicht alle Studienbereiche in Bergen gelten.....
So wie ich suza_phones Beitrag verstand, galt der sogar für ganz Norwegen !?!
Und was ist denn an suza-phones Erfahrungen brisant?
Für mich besteht die Brisanz in ihrer Feststellung, daß INSBESONDERE für Ausländer an der Westküste die geschilderten Probleme auftreten sollen. Eine solche Feststellung hat ganz einfach (und das gilt auch für durchaus unsensible Naturen) einen Trend in Richtung "Ausländerfeindlichkeit". Und das is nu ein Thema, das zumindest für mich mit Brisanz besetzt wäre.
Die ist meiner Meinung nach in Norge nicht höher als in Deutschland. Genauso wie man in Deutschland die türkischen Einwanderer mit Skepsis betrachtet, betrachtet mach in Norwegen die Asylanten mit Skepsis. Hier bei sei gleich gesagt, dass Norwegen im Vergleich zur Einwohnerzahl pro Kopf mit die meisten Asylanten in Europa aufnimmt (lässt sich das mit Ausländerfeindlichkeit vereinbaren?). Da mag das Thema sogar eine gewisse Brisanz haben, denn es da schreitet die Internationalisierung der Gesellschaft schneller voran als in anderen Teilen Europas, und selbstverständlich kann das Probleme aufwerfen (nicht alle Einwanderer verstehen es nämlich, offen gegenüber der fremden Kultur zu sein und sich anzupassen).
Ich meine trotzdem, dass sich die Feindlichkeit (die ich lieber als Skepsis bezeichne), wenn sie denn existiert, in erster Linie Personen gilt, die sie durch ihr eigenes Verhalten provozieren. Und auch das ist in Deutschland doch nicht anders!
Auf jedem internationalen Flughafen im Ausland fallen mir als erstes die Deutschen unangenehm auf. Ich habe in solchen Situationen schon oft beschämt den Kopf geschüttelt (wobei auch gesagt werden muss, dass sich die Norweger auf Gran Canaria und Co auch manchmal ein wenig danebenbenehmen). Man kann allerdings nicht von einem Beispiel auf die ganze Nation schliessen kann, und es ist die Aufgabe jedes einzelnen, dies zu beweisen.
Natürlich ist man nur im Ausland Ausländer. Jemand, der noch nie im Ausland gelebt hat (auch nicht als Ausländer in Deutschland, und bitte nicht mit im Urlaub gewesen sein verwechseln) kann zu dieses Thema wohl schwerlich relevant beurteilen?
Ich behaupte sogar, dass eine Ausländerfeindlichkeit, wie ich sie manchmal in Deutschland gefühlt habe, mir in Norwegen bisher völlig fremd geblieben ist (sogar in einer ländlichen Region, die viele Asylanten und doch einige auslandsadoptierte Kinder und Jugendliche hat). Diesem Thema gegenüber ist man in Norwegen nämlich sehr aufgeschlossen (und es wird öffentlich im Fernsehen debattiert, sprich diskutiert, sprich konfrontiert).
Ich bin auch schon als Reiseleitung unterwegs gewesen, und habe festgestellt, dass es netter ist, eine Gruppe Schweizer durch Norge zu guiden als eine Gruppe Deutscher. Weiss der Himmel, woran es liegt (Gutmütigkeit, Gemütlichkeit, weniger anspruchsvoll, wertschätzender???).
Skepsis, ja. Unter Umständen Unbeliebtheit. Aber Ausländerfeindlichkeit? Ist Euch eigentlich klar, wie aggressiv ("feindlich") dieser Begriff ist (ist das nicht wieder ein wenig typisch deutsch)? Und habe ich nicht gerade wieder einen Hinweis darauf erhalten, warum ich ausgewandert bin?
Julia hat geschrieben:Zur Ausländerfeindlichkeit:...wenn sie denn existiert, in erster Linie Personen gilt, die sie durch ihr eigenes Verhalten provozieren.
Das sehe ich auch so..., wir sind hier Gast und wenn wir uns dann nicht entsprechend benehmen, bräuchten wir uns nicht wundern, wenn wir vor eine Wand laufen.
Julia hat geschrieben:...dass eine Ausländerfeindlichkeit, wie ich sie manchmal in Deutschland gefühlt habe, mir in Norwegen bisher völlig fremd geblieben ist (sogar in einer ländlichen Region, die viele Asylanten und doch einige auslandsadoptierte Kinder und Jugendliche hat).
Da würde ich auch eine Lanze für die nordlendinger brechen: Mir ist hier noch niemals irgendeine Feindseligkeit entgegengebracht worden, obwohl Narvik ja nun wirklich gute Gründe hätte, deutschfeindlich zu sein. Die Menschen hier sind nicht mal gleichgültig gegenüber unserem Wohlergehen..., dauernd wird man gefragt, ob es einem hier auch wirklich gefällt.
Allerdings muß man auch sagen, daß die Narvikinger anscheinend zwischen Ausländern unterscheiden..., wir "Europäer" sind hier willkommen, aber Asylanten haben es mit Sicherheit schwerer als wir. Empfindet Ihr das in den anderen Landesteilen auch so? Das liegt vielleicht übrigens auch daran, daß die wenigen Leute, die hier straffällig werden, meistens aus dieser Bevölkerungsgruppe kommen.
Grüßlis aus dem wieder-Winterwonderland vom NarVikinger Christoph
Zuletzt geändert von Christoph am Di, 24. Feb 2004, 8:36, insgesamt 1-mal geändert.
"Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land am Polarkreis (Helgeland)."
frei interpretiert (erweitert) nach einem Zitat von Dr. Ludwig Ganghofer
Christoph hat geschrieben:Allerdings muß man auch sagen, daß die Narvikinger anscheinend zwischen Ausländern unterscheiden..., wir "Europäer" sind hier willkommen, aber Asylanten haben es mit Sicherheit schwerer als wir. Empfindet Ihr das in den anderen Landesteilen auch so? Das liegt vielleicht übrigens auch daran, daß die wenigen Leute, die hier straffällig werden, meistens aus dieser Bevölkeungsgruppe kommen.
Ja, ich habe einen aehnlichen Eindruck auch im Gespraech mit Trønderfolk, aber auch mit Oslofolk, gewonnen.
Gruss,
Arne
Der Haushaltstipp (Nr. 1378):
Fleckenentfernungmittelflecken gehen mit Teer weg!
Um zurueck zu kommen zum ersten Beitrag. Als Auslaender in einem norwegischen Betrieb. Hier ein interessanter Artikel in Aftenposten, der das bestaetigt, was die Beitragsstarterin sagte:
Noe av det første jeg lærte i mitt møte med norsk arbeidsliv var å
ikke fremheve meg selv. Vær tålmodig. Hold konkurranseinstinkt og aggressivitet i sjakk. For her tar ting tid. Ledere tar ikke raske beslutninger. Det skal snakkes og avholdes uendelig mange møter før noe skjer. Kjedelig, men sånn er det, mener britiske Pellegrino Riccardi, kulturell brobygger på heltid i Veritas:
Arne hat geschrieben:wobei ich genau das auch irgenwie wieder gut finde - ist halt die norwegische Mentalitæt...
Das ist ganz sicher typisch norwegisch (schwedisch übrigens auch). Bis hier Entscheidungen fallen geht viel Zeit ins Land. Es gibt einen Grund dafür, dass hier ohne Ende Konferenzen und Treffen und Besprechungen stattfinden. Man muss ganz einfach seine Arbeitsweise anpassen - einen Gang zurück.
Der Rest hört sich doch ziemlich nach janteloven an. "Glaub nicht, dass du was Besseres bist, uns was beibringen kannst usw". Eines der Dinge, die ich an der norwegischen Mentalität ablehne, ich finde das so engstirnig.
habe diesen Thread mit grossem Interesse gelesen. Lebe selber seit mehr als zehn Jahren in Norwegen und kenne Norwegen nun schon gut 35 Jahre. Arbeite selber auch an der Universität und habe in verschiedenen norwegischen Städten (darunter auch Oslo und Trondheim) gearbeitet.
Mehr noch, ich habe mich beruflich mit "vergleichender Forschung" beschäftigt, also u.a. mit dem Vergleich der Bildungs-, Verwaltungssysteme, Entscheidungskulturen usw. Habe alles in allem in fünf verschiedenen Ländern zeitweise gelebt bzw. gearbeitet. Lebe übrigens "freiwillig" hier (hätte schon mehrfach anderswohin gekonnt, hab aber jedesmal gewählt zu bleiben).
Warum diese lange Einleitung? Weil offensichtlich schon eine sanfte Kritik, wie sie suza-phone formuliert, so harsche Reaktionen wie die Julias (wer Ausländerfeindlichkeit in Norwegen erlebt, ist meist selber schuld) auslöst. Und die Diskussion dann ein wenig in die Richtung abgleitet, einander falsche Pauschalierungen vorzuwerfen. Warum ist es bloss so schwer Kritik & Gegenkritik auszuhalten?
1. Die Erfahrungen, die suza von Bergen berichtet, hätte ich mit Berichten von allen vier norwegischen Universitätsstandorten sowie von der einen oder anderen Hochschule unterstützen können. Mir sind sie von norwegischen Kollegen gleich in den ersten Tagen mit zwei Grundregeln erklärt worden a) ting tar tid und b) når man vil ramme deg, snakker man ikke med deg, men om deg ...
Die unendlich langen Beschlusswege der norwegischen Konsensdemokratie führen nicht selten dazu, dass entweder etwas rauskommt, was keiner wollte, oder dass die eigentlichen Beschlüsse "hinter dem Rücken" der anderen getroffen werden. Das ist übrigens keine Beobachtung, die speziell von Ausländern oder Deutschen kommt. Das bestätigen auch norwegische Kollegen und zahllose Evaluationsberichte.
2. Was die Qualität des norwegischen Schul- und Hochschulwesens betrifft, ist die Situation in der Tat gemixt. Es gibt Bereiche, in denen Norwegen recht gut anliegt, es gibt Bereiche, wo Norwegen weit hinterher ist. Also: suza's Beobachtung kann für einen Bereich duraus zutreffen, für andre falsch sein ... Was natürlich sich durchaus bemerkbar macht, ist, dass hier ein sehr grosser Prozentsatz jeden Jahrgangs sich zunächst einmal an der Uni bzw einer Hochschule versucht, und deshalb dort nicht wenige auftauchen, die dem Unibetrieb kaum oder gar nicht gewachsen sind. Das ist mir aber immer noch lieber, als wenn viele von vorneherein wegsortiert würden (weil sie sie sich zB das Studium nicht leisten können).
Berechtigt ist aber auch, Austauschstudenten dazu zu ermuntern, sich erst genau zu erkundigen, wie es in ihrem jeweiligen Fachbereich aussieht: es gibt halt einzelne Fachbereiche, die international kaum mithalten können, und andere, die erste Klasse sind ... Wenn man sich z.B. die Pensumlisten und Kursbeschreibungen der jeweiligen Studienrichtungen anschaut (meist online einsehbar), kriegt man schon nen guten Eindruck von der Qualität.
3. Gleiches wäre für die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler / Professoren zu sagen. Es gibt Bereiche, wo zB die Rahmenbedingungen für Forschung um Klassen besser sind als in Deutschland (zB in meinem Bereich), während es in anderen immer noch recht provinziell und selbstgenügsam zugeht. Also: Immer seeeeeehr konkret hinschauen, eh man sich entscheidet ...
4. Was die Ausländerfeindlichkeit betrifft: Da muss ich Julia deutlich widersprechen. Und das hat wieder nix mit Deutsch oder nicht Deutsch zu tun, sondern eher mit langanhaltenden und kulturgeschichtlich tiefverwurzelten Reaktionsmustern. Das kann (hab ich auch schon erlebt), genauso gut nen finnischen, schwedischen oder russischen Kollegen erwischen.
Mich selber hat n Kollege schon bei der ersten Kontroverse an einer neuen Hochschule angeschrieen, ich möge doch dahin zurückgehen, wo ich her gekommen sei. Man bräuchte in Norwegen keine Leute wie mich (und das an einem Fachbereich, wo zu dem Zeitpunkt die Hälfte der Kollegen Nicht-Norweger waren und die Rekrutierung von Norwegern mehrfach misslang). Gleich danach hat mich der Dekan damit "beruhigt", ich möge das nicht persönlich nehmen: das würde jedem neuen nicht-norwegischen Kollegen entgegenschallen.
Nein, es ist meiner Lebenserfahrung (und mancher Kulturforschung) nach schon so, dass sich viele Norweger mit Kritik, die "von aussen" kommt recht schwer tun. Ich habe weder in Dänemark, Deutschland, der Schweiz oder den USA (um nur n paar Beispiele zu nennen) so viele unkontrollierte "du makke komme her"-Reaktionen erlebt wie hier in Norwegen.
5. Das "wer Ausländerfeindlichkeit erlebt, ist selber schuld"-Argument hab ich allerdings auch oft in Norwegen zu hören bekommen. Von denselben Leuten, die gerne auf Ausländer schimpfen (und die Fremskrittsparti wählen) ... Gibt es denn überhaupt irgendwas, was "Ausländerfeindlichkeit" rechtfertigen kann????
6. Obwohl ich Norwegen & die Norweger schon 25 Jahre kannte, bevor ich dorthin umgezogen bin, obwohl ich schon vorher zahlreiche fachliche Kontakte usw. hatte, war ich dennoch nicht darauf vorbereitet, wie schwer es werden würde, sich in Norwegen zurecht zu finden. Nein, Norwegens Image in der Welt ist nicht immer deckungsgleich mit dem was man im norwegischen Alltag erlebt. Beispiel: Von aussen kriegt man nicht oder nur schwer mit, wie in Norwegen die andernorts übliche formale Hierarchie ersetzt wird durch eine oft noch viel härter zuschlagende informelle Hierarchie. Noch n Beispiel: Von aussen kriegt man kaum die sehr indirekten Formen der Kritik & Entscheidungsfindung mit. Wo man sich in nem deutschen oder amerikanischen Ausschuss offenen Schlagabtausch liefert und evt. Mehrheitsbeschlüsse trifft, werden hier viele Entscheidungen unter dem Tisch ausgetragen ... Drittes Beispiel: In meinem Gebiet ist es fast überall auf der Welt üblich, sich gegenseitig in Fachzeitschriften zu rezensieren & kritisieren, ohne dass das Zusammenarbeit oder Freundschaften belastet. In Norwegen wird eine öffentliche Kritik von Kollegen-Positionen sehr gerne als persönliche Kritik missverstanden (weshalb zB ein Zeitschriftenherausgeber mir dringend davon abriet, als Ausländer Rezensionen zu schreiben, wenn sie nicht ausschliesslich positiv seien).
7. Warum leb ich also trotzallem in Norwegen? Nicht weil es Schlaraffia ist (nicht bei den Preisen), nicht weil es besonders liberal oder tolerant wäre (da gäb es bessere Lösungen), nicht wegen des hohen Bildungsstandes (ist eher gemixt), noch nicht mal wegen der recht guten Bezahlung (hätt anderswo mehr kriegen können) ... nein: ganz einfach weil ich es nachwievor ein ungemein faszinierendes Land finde, in dem ich viele gute Kollegen und Freunde gefunden habe und in dem ich - nehm nur alles in allem - glücklich bin. Das schliesst aber nicht aus (schliesslich hat man ja gerade DAFÛR Freunde), dass ich hin und wieder privat und auch öffentlich scharf kritisere, was ich des Kritisierens wert finde ...
da hab ich doch glatt die kleine Geschichte vergessen, die ich eigentlich erzählen wollte. Wahr ist sie auch noch. Die ersten beiden Geschenke, die ich nach meine Übersiedlung nach Norwegen bekam, waren Øystein Sundes "du makke komme her og komme her" und Axel Sandemoses En flyktnig krysser sitt spor (Janteloven) .... Zufall??
vielen Dank für Eure Beiträge. Ein Punkt, in dem ihr zweifellos recht habt, ist der, dass man in Norwegen bei Kritik nicht zischen Person und Sache unterscheiden kann, d.h. dass sich alle immer gleich persönlich angefasst fühlen. Das ist aber ein Punkt, der nicht nur Ausländern auffällt, sondern über den sich die Norweger selber klar sind (zumindest habe ich das vorher in erster Linie aus deren eigenen Reihen gehört).
Ich selbst pflege auch kein Blatt vor den Mund zu nehmen und die Dinge beim Namen zu nennen, die mich stören oder die ich gutfinde. Probleme habe ich (bisher) damit noch nicht gehabt - im Gegenteil, man möchte mich aufgrund dieser Eigenschaft gern in verschiedenen "styren" meiner privaten Hobbyaktivitäten haben, weil ich offensichtlich endlich mal jemand bin, der nicht nur um den heissen Brei drumrumredet, sondern den Mund aufmacht, was man in dem Fall offensichtlich als positiv anerkennt.
Ebensowenig habe ich irgendwann irgendwo auch nur einen Hinweis darauf erhalten, dass ich als Ausländer im Lande unerwünscht bin. Ebenfalls im Gegenteil, ich habe immer nur zu hören bekommen (vom allerersten Tag an, an dem ich hier zum Vorstellungsgespräch war), wie toll es alle finden, dass ein (damals noch junges) Mädchen einen solchen Schritt unternimmt.
Es kann sein, dass genau hier der springende Punkt ist. Ist es für eine Frau leichter als für einen Mann? Noch dazu, wenn sie sich vor Ort einen Mann sucht? Hat es damit zu tun, dass ich in einer Branche arbeite, die für Distriktsnorwegen überlebensnotwendig ist, weswegen man evtl. auch die Arbeitseinwanderung mit anderen Augen, nämlich als wünschenswert ansieht?
Es sind überwiegend Frauen hier im Forum, die vehement die positive Seite verteidigen (mit ein paar Ausnahmen wie in Narvik und Tromsø). Eins dürft Ihr aber immer noch nicht vergessen, nämlich dass hier bisher noch niemand behauptet hat, es gäbe keine Probleme. Man versucht nur, klarzustellen, dass es anderswo ebensoviele Probleme gibt, und dass man eine Auswanderung nicht wegen der scheinbaren Problemlosigkeit und Idylle angehen sollte.
Wir Menschen sind alle verschieden, unsere Umfelder sind alle verschieden und selbstverständlich sind unsere Erfahrungen verschieden (und werden es immer sein), weshalb jeder auch zwangsläufig seine eigenen Erfahrungen machen muss. Und jeder muss vor allem seine Auswanderentscheidung selber treffen und hinterher für sich Bilanz ziehen, ob es richtig war oder nicht. Man kann immer überall Glück oder Pech haben und hat nie eine Garantie, dass es gutgeht. Deshalb ist ein offener, anpassungs- und kompromissfähiger Standpunkt so wichtig. Es ist doch trotz Suzas und Deiner Darstellung unzweifelhaft richtig, dass man auch bei einer Umsiedlung innerhalb Deutschlands (von Ost nach West oder Nord nach Süd oder umgekehrt) auf (teils massive) Probleme stossen kann. Da muss man doch bei einer Auswanderung erst recht damit rechnen? Niemanden hier im Forum stört es, dass man Probleme beim Namen nennt. Aber einige (inkl. meiner Wenigkeit) stört es, wenn man es so hinstellt, als sei es in Deutschland diesbezüglich so viel besser (z.B. Ausländerfeindlichkeit) bzw. als sei es DIE Enttäuschung, dass Norwegen diesbezüglich eben auch kein Wunderland ist, weil man eben (warum eigentlich???) erwartet hat, dass nämlich in Norwegen alles nur ganz toll ist. Logisch, dass uns das erst im Ausland auffällt, wie das ist, Ausländer zu sein, denn zu Hause in Deutschland sind es ja die anderen, die diese Erfahrungen (im guten und bösen) machen.
Ich denke, der Unterschied liegt nicht zuletzt darin, wie man damit umgehen kann. Ob man nämlich, wie Du, Thomas, trotz der Widrigkeiten, die man erlebt hat, sagen kann, ich bleibe hier, weil dass Land für mich etwas anderes, undefinierbar wunderbares hat, das mich hier glücklich sein lässt, oder ob man dies nicht empfindet und deshalb enttäuscht und ernüchtert aufwacht und u.U. wieder zurückgeht (habe eine Familie gekannt, der es so gegangen ist, kenne also diese Seite auch).
Ein anderer Fakt ist, dass Norwegen historisch bedingt offensichtlich einen grossen Selbständigkeitsdrang hat. 400 Jahre unter Fremdherrschaft, zuerst dänisch, dann schwedisch hinterlassen offenbar Spuren bei einer Nation. Norwegen steht vor immensen Herausforderungen, was die (notwendige) Internationalisierung eines im vereinten Europa ziemlich in die Ecke gedrängten und allein dastehenden, selbstbestimmen-wollenden, bevölkerungsmässig kleinen Landes anbelangt. Immer ist denen von aussen gesagt worden, was sie zu tun und zu lassen haben. Eigentlich kein Wunder, dass es die EU-Bewegung hier so schwer hat. Sie wird doch von vielen hier im Lande nur als eine neue, etwas andersartige Okkupationsmacht angesehen (was sie ja strenggenommen schon ist, denn Norwegen wird bereits in vielerlei Hinsicht von Brüssel aus regiert)
Die Antwort ist länger geworden, als ich eigentlich wollte, und deshlab mache ich hier Schluss und stelle sie zur Diskussion.
Ein portugiesischer Maurer kommt nach Deutschland. Hat Fachbrief und ist flink und beginnt nach kurzer Zeit alles umzukrempeln, uebt zunehmend lauter werdende Kritik, veraendert selbstherrlich Standards usw. usf. Er nimmt auch keine Ruecksicht auf gewachsene Kultur und Mentalitaet und mischt den verschlafenen Haufen mit einer erfrischenden: „Hoppla, jetzt komm ich-Mentalitaet“ auf. Wir koennen uns natuerlich lebhaft vorstellen, dass die deutschen Kollegen und der Polier entzueckt dem neuen Kollegen lauschen und ehrfurchtsvoll die fabelhafte neue – und selbstverstaenddlich bessere – Arbeitsweise sofort umsetzen. Denn freilich ist gleich klar, dass das was man lange Zeit erfolgreich und bewaehrt praktiziert hat, eigentlich unmoderner und veralteter Schrott ist. Auch regionalspezifische Besonderheiten gilt es ratzeputz auszumerzen, denn sonst ist man ja nicht up to date und globalisiert, nicht wahr?
Unvorstellbar? Eigentlich schon, aber nichts anderes erwarten scheinbar viele deutsche (und auch EINwanderer anderer Herkunft) in Norge. Ich frage mich oft, woher diese koloniale Arroganz kommt. Dieses so unverbruechliche Festhalten an der eigenen Unfehlbarkeit. Dieses kategorische und absolute Feststellen, dass es NUR EINEN WEG gibt... Warum man eigentlich woanders hingegangen ist, um dann doch wieder den eigenen Stiefel zu kultivieren. Woher kommt diese Intoleranz, die da sagt: Es muss doch der Fehler der anderen sein, wenn ich nicht weiterkomme. Wenn meine Kritik nicht angenommen wird. Warum funktionieren die anderen nicht so, wie ich das gewohnt bin? Warum wird mein Brett vor dem Kopf nicht als allgemeiner Horizont akzeptiert? Hat doch so schoen funktioniert in der alten Heimat...?
Es ist klar, dass dann das Beckmessern und Kritikastern beginnen muss. Wenn man ein Haar in der Suppe finden will, dann findet man es auch. Und schnell wird das fehlende Nutella zur existenzbedrohenden Katastrophe. Und dann werden in der pseudonorwegischen Exilexistenz mit deutschem Satelliten-TV, Aldi-Tueten-Cappuccino und zweimaligem Erholungsurlaub in Muemmeldorf an der Schlamp, die einheimischen Bewohner des norwegischen Gastlandes schnell zur stoerenden Begleiterscheinung, die die eigene Weltoffenheit so boesartig mit ihrem Janteloven desavouieren...
Schoene Gruesse,
Charly
PS: Wer sich angesprochen fuehlt, ist hoechstwahrscheinlich auch gemeint.
Ein portugiesischer Maurer kommt nach Deutschland. Hat Fachbrief und ist flink und beginnt nach kurzer Zeit alles umzukrempeln, uebt
Ich bin bekannterweise kein Auswanderer und habe das auch nicht vor, wage aber trotzdem eine Wortmeldung
Ja, Charly, was Du hier beschreibst, kann ich nur unterstreichen - nämlich von der anderen Seite. Toleranz hin - Toleranz her - als Auswanderer muss man sich im Klaren sein, dass man in einem anderen Land zuerst einmal nur "Gast" ist. Man sollte sich also mit der Kultur eines Landes beschäftigen und auf diese auch versuchen, einzugehen, anstatt alle anderen bekehren zu wollen bzw. einfach so weiterzuleben, wie man es eben von Zuhause kennt. Toleranz ist ja kein einseitiger Begriff und sollte von beiden Seiten geübt werden - von den Auswanderern sowie auch von den Einheimischen. Der Auswanderer sollte also nicht auf seine gewohnten Rechte von Zuhause pochen und der Einheimische sollte dem Auswanderer eben auch etwas entgegenkommen, indem er auch die ein oder andere Gewohnheit des Ausländers "durchgehen" lässt.
Wenn ich mir diesen gesamten Thread aber ansehe, dann ist das ohnehin in etwa der allgemeine Tenor.
mh hat geschrieben: Wozu also all die Massen von Leitern und Veantwortlichen in den Großbetrieben, wenn sie niemals ein deutliches JA oder NEIN aussprechen können? Überhaupt, ist irgendjemanden schon mal aufgefallen das jeder norwegische Betrieb zu 50% nur aus Leitern besteht - sehr komisch oder?
Norwegen, ein Eldorado für das 'Beraterfolk'? Sehr ausgeprägt in Norwegen ist übrigens die Denkweise: " selber machen ist teurer als einkaufen" Nun war ich erst in 3 verschiedenen Betrieben, aber überall war der Wunsch groß, sich aus der Verantwortung herauszukaufen.
Hallo mh,
zu dem Problem der vielen Leiter, die nichts entscheiden, kursierte vor einigen Wochen bei uns ( Lokalsykehus in Narvik) ein kleines Gleichnis. Es wurde von meinen norwegischen Kollegen ins Spiel gebracht, die dieses Problem sehr wohl auch sehen.
Der Einfachheit halber übersetze ich es direkt ins Deutsche:
Eine norwegische und eine japanische Bank verabredeten ein jährliches Wettrudern im Achter. Beide Mannschaften trainierten hart und als der Wettkampftag endlich gekommen war, waren beide Mannschaften in Topform. Trotzdem gewannen die Japaner mit einem Kilometer Vorsprung.
Nach der Niederlage war die Moral in der norwegischen Bank natürlich auf dem Tiefpunkt.
Die Führung beschloss, daß man nun etwas unternehmen müsse, um im nächsten Jahr zu gewinnen. Es wurde eine Projektgruppe gegründet, die herausfinden sollte, wo das Problem lag. Nach genauen Untersuchungen fand die Gruppe heraus, daß die Japaner einen Steuermann und sieben Ruderer hatte. Die Norweger dagegen hatten einen Ruderer und sieben Steuermänner.
In dieser Krisensituation bewies die Führung nun tatsächlich einmal Handlungsfähigkeit. Sie engagierten eine Beratungsfirma um die Struktur der norwegischen Mannschaft zu untersuchen. Nach viermonatiger Arbeit kamen sie zu dem Ergebnis, daß es nicht genügend Ruderer gab. Auf dem Hintergrund der Expertenempfehlung wurden natürlich Änderungen vorgenommen: Man bekam nun vier Steuermänner, zwei Obersteuermänner, einen Aufsichtsratsvorstizenden und einen Ruderer. Außerdem beschlossen die Experten dem Ruderer einen größeren Arbeitsbereich und größere Verantwortung zu geben.
Im Jahr danach gewannen die Japaner mit zwei Kilometern Vorsprung. Da kündigte die norwegische Bank dem Ruderer wegen schlechter Leistung und beschloss ein neues Boot zu bauen. Die Beratungsfirma wurde für ihren großen Einsatz gelobt und die Führung wurde ebenfalls hochgelobt, weil sie ein so gutes Projekt durchgeführt hatte.