Nordnorwegen im Winter

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Christoph
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Christoph »

Tina_S hat geschrieben:..ich denke schon, dass mal so eine Kolonnenfahrt mal mitmachen muss, wenn man im tiefsten Winter in Norwegen unterwegs ist!... wird man ja auch nicht nervös und kannt entspannt dahinkriechen...
Hallo Tina...

stelle Dir das kolonnekjøring mal nicht zu romantisch vor...das kann Streß pur sein. Bei uns auf dem Saltfjellet ist es beispielsweise so: Dunkelheit, Schneetreiben, total vereiste Straße. Dann kommen die Schneepflüge. Einer fährt dann vorneweg (der andere hinterher)...mit rund 60-80 km/h! Für Dich heißt es jetzt, auf gar keinen Fall die Rücklichter Deines Vordermanns aus den Augen zu verlieren (und das können auch schon mal richtige Funzeln oder nur ein Licht sein)...und das bei Sichtweiten von vielleicht deutlich unter 20m, einer Eispiste unter Dir, um Dich herum nur Schnee (Du erkennst nur die Schneestangen, die etwa auf Deiner Höhe sind, sonst ist alles grau in grau...rechts wie links, oben wie unten) und dann heftigste Windböen von der Seite, die Dich von der Straße zu drücken scheinen...das hat nichts mit Romantik oder sonstwas zu tun und ist auch nichts, was man mal mitgemacht haben muß.

Vielleicht noch eine kleine Episode dazu: Als unser Spediteuer uns 2004 unser Boot von D nach Narvik gezogen hat (21 ft. Boot auf Hänger hinter kleinem LKW + ein weiterer LKW), standen sie auf dem Bjørnfjell im Schneetreiben und wollten runter nach Narvik.
Mit dem letzten kolonnekjøring des Tages (bis morgens wurde das Bjørnfjell dann gesperrt) sind sie als die beiden letzten LKW`s der Kolonne (ohne Schneepflug hinterher!) um 23 Uhr los. Der hintere kleine LKW mit meinem Bootsanhänger hatte dann Mühe, Kontakt zu halten, ist an einer Steigung nach einer Senke nicht schnell genug gewesen und dann halb auf der Straße,halb im Graben liegengeblieben. Die Jungs im Führerhaus haben dann dort im Schneetreiben bis morgens um 10 Uhr gewartet, bis ein LKW-Bergefahrzeug sie rausgeschleppt hat. Daß die in der Nacht kaum geschlafen haben, kann man sich wohl vorstellen...zu der unübersichtlichen Situation kommt ja auch noch die Angst, daß Dir am nächsten Morgen der erste Schneepflug voll ins Fahrzeug brettert.

Das soll Dir aber keine Angst machen...nur vielleicht ein kleiner Hinweis darauf sein, daß Winterromantik auch seine Grenzen hat. Ansonsten ist der Winter in Nordnorwegen aber wirklich super schön!!!

Grüßlis und einen schönen Tag wünscht vom immer noch regenfreien Polarkreis...
Christoph
"Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land am Polarkreis (Helgeland)."

frei interpretiert (erweitert) nach einem Zitat von Dr. Ludwig Ganghofer
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Schnettel »

Tina_S hat geschrieben:...und kannt entspannt dahinkriechen...
Also ich empfinde Kolonnenfahren nicht gerade als entspannt dahin kriechen. Das ist ja nicht wie Stop-And-Go auf der Autobahn, wo man so bissi dahin schleicht... Und auch nicht nur ein paar Autos, die halt hintereinander her fahren. Kolonnefahren heisst - nur in eine Richtung wird gefahren, ein Kolonnefahrzeug vorn. Man wartet also erstmal ewig, weil grundsætzlich, wenn man an solch ein Kolonnefahren kommt, ist die eigene Richtung gerade losgefahren und man selber bekommt "rot". Wer keine Standheizung hat, muss Motor laufen lassen, sonst wirds a...kalt. Und ist man dann irgendwann selber dran, heisst es "Gas geben"....
Uebers Saltfjell hatte ich mal das Vergnuegen einer Kolonnenfahrt. Nach 1,5 Stunde Warten ging es dann los. Es war stockfinster. Es hat geschneit wie bløde. Schon allein das ist anstrengend. Die vorbeiwirbelnden Schneeflocken machen einen regelrecht "meschugge". Das Kolonnenfahrzeug fuhr ca. 80 km/h, vor mir ein LKW, der auch nochmal ordentlich Schnee aufwirbelte, so dass ich nun fasst gar nix mehr sah. Trotzdem musste ich dicht dran bleiben. Die Ruecklichter des Vorausfahrenden waren auf Grund der Sichtbedingungen bei mehr als ca. ein bis zwei PKW-Længen gar nicht mehr zu sehen. Und ein Strassenrand aufgrund der Schneeverwehungen sowieso nicht...
Da hiess es "dran bleiben" und "Gas geben".
Und ich hab die ganzen 40 langen km immer nur vor mich her gebrabbelt "Brems jetzt bloss nicht!!"....

Aber Harry hat schon Recht - muss man einfach mal gemacht haben... :-)

Edit:
Ach - ich sehe gerade, ich bin nicht die einzige..... ;-)
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Harry132
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Harry132 »

...das hat Christoph ja wirklich realistisch beschrieben, wie es im Extramfall aussehen kann!

Ich besuchte mit einem VW T4, und nur Winterreifen, etwa Ende April die Nordkinn-Halbinsel. Anlaß u.a.: Ich las, die Straße wäre immer wieder wegen schlimmer winterverhältnisse in den Nachrichten. Ich dachte mir, das mußt Du dir soch einmal anschauen, und jetzt um die Zeit kann das ja nicht mehr so extram sein.

Auf der Fahrt nach Kjøllefjord praktisch blauer Himmel, also herrlichstes Wetter auf dem schneebedeckten Fjell. In Kjøllefjord erzählte ein Einwohner, heute wäre der erste schöne Tag im Jahr.
Nach ein oder zwei Tagen wieder Rückfahrt Richtung Ifjord. Ich fragte noch einen Schneepflugfahrer, ob denn Schneeketten erforderlich wären. Er meinte, "nein". Nun die Fahrt bis Hopseidet war ja auch noch kein Problem.
Aberdort verpaßte ich gerade eine eben abfahrende Kolonne - hatte zuvor noch etwas zu lange fotografiert.
Also warten, lange über die ausgeschriebene Abfahrtszeit hinaus. Endlich, nach so 4-6 Stunden Warten ging es los - ich ohne Ketten! - und darauf achtend daß ich in der Mitte der Kolonne fuhr. Die Norweger führen mir sonst noch davon.

Dann oben auf dem Fjell wie von Christoph beschrieben. Die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren, ebenso die Lüftung auf die Schreiben. Totzdem leichter Eisansatz. Sicht - äußerst schlecht, der Schneepflugfahrer forderte uns deshalb auf, die Warnblinlichter zusätzlich einzuschalten. Plötzlich, das Fahrzeug vor mir bleibt hängen. Ich muß bremsen und warten. Nun, die kamen wieder los - aber ich nun praktisch nicht mehr. D.h. los schon, aber auch immer mehr auf die hier etwas geneigte linke Straßenseite und in die dortige Schneewehe. Also "stop" und versucht die Schneeketten aufzulegen. Ja versucht - ich Idiot hatte es vorher noch nie probiert :oops:
Plötzlich steht der von der Spitze umkehrende Schneepflug bz. dessen Fahrer vor mir. Ich schildere die Situation - und er zieht mich ein Stück weiter, auf einen vom wind freigeblasenen Straßenabschnitt.

Nun der Rest war dann nichts besonderes mehr. Auf jeden Fall, am nächsten Tag war dieser Straßenabschnitt gesperrt. Ich gebe zu, mich hatte es in den fingern gejuckt, diesen noch einmal - diesmal aber ohne Probleme, zu fahren !

Gruß
Heinz

P.S.: Den Bericht mit Bildern hat "Nordis" vor ein paar Jahren veröffentlicht!
Meine Diaschau "Norwegen - mit dem Rad zum Nordkap": http://www.Heinz-Knapp.de
Christoph
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Christoph »

Apropos Schneeketten: Ich benutze keine mehr und habe davon deshalb nicht so richtig Ahnung. Aber früher war das doch immer so, daß man die nur bis 50km/h fahren durfte...ist das heute auch noch so? Dann hätte man nämlich je nach Fjellübergang evt eh ein Problem beim kolonnekjøring...auf dem Saltfjellet wäre man damit auf jeden Fall der Depp.

@Harry132: Deine Beschreibung ist aber auch schön realistisch!

Grüßlis og god helg...
Christoph
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Harry132 »

@christoph: schön realistisch:

...ja man tut was man kann :D

Allerdings, ob die damals, bei mir, mit 70-80 km/h fuhren - ich weiß nicht. Also wir bewegten uns wirklich durch eine Schneewüste/einen Schneesturm - so etwas hatte ich mir vorher gar nicht vorstellen können. Und das, bei sehr mieser Sicht, in wenigen Metern Abstand vom vorausfahrenden - in einigen Augenblicken, also nicht immer ! So konnte ich, irgendwann, plötzlich ganz vorne noch eine Schneeschleuder sehen. Die muß wohl irgendwann aus der Gegenrichtung auf uns "gestoßen" sein, oder war die ganze Zeit auf einem bestimmten Abschnitt dort aktiv.

Aber, jetzt macht Euch keine allzu großen Gedanken. Von Bergen kann man auch nach Süden fahren, über Stavanger nach Kristiansand. Man muß also nicht über das, ich glaube es heißt Haukelifjell und Røldal,, und dann durch das Setesdal.
Allerdings, denkt daran: Voller Benzintank, ggf. etwas zu Essen und Trinken dabei. Und genug warme Klamotten, oder gar Schlafsack, im Auto wäre auch nicht schlecht. Und falls Ihr sonst irgendwo hängebleibt, also alleine auf weiter Flur: Ich fuhr wegen defekter Standheizung, also Loch im Schlauch zu dieser, sehr langsam und deshalb mit Warnblinkanlage. Ein Lkw hielt an - und der Fahrer fragte ob er mir helfen könne.
Dann gibt es noch eine Handynummer, die "Norweger" hier werden die kennen, die man im Zweifelsfalle anrufen kann !

Und trotzdem - für mich gehört auch das zum winterlichen Norwegen dazu!

Gruß
Heinz
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von ChristianAC »

Moin Moin

In dem Zusammenhang sollte man auch nicht versuchen auf der E6 einem Busfahrer zu folgen.

Ich habs nach ner halben Stunde schweissgebadet drangegeben.

Gruß

Christian
Doris
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Doris »

Hallo Tina,
ich wünsche Euch, daß Ihr im Dezember/Januar so richtig schönen Winter mit viel Schnee und Kälte erlebt. Und wenn das mit dem Kolonnefahren im Schneesturm gutgeht ( und das tut es ja meistens, auch wenn es stressig ist :D ), ist das ja wenigstens noch ein Erlebnis, das man mit einem typischen nordischen Winter verbindet.
Euch kann leider noch ein ganz anderes Szenario drohen :oops: : Plusgrade und Regen!
Wenn über Mitteleuropa ein stabiles Hoch liegt, trifft oft ein Tief nach dem anderen Nordnorwegen mit warmer feuchter Luft und viel Regen. Gerade im Dezember eher die Regel als die Ausnahme. Fast jedes Jahr gibt es zumindest an der Küste in Nordnorwegen diese leidigen Wärmeeinbrüche wo der ganze schöne Schnee wieder wegregnet. In der Übergangszeit zwischen Kälte und Regen gibt es dann einige Tage Eispisten pur, weil sich der festgefahrene Schnee auf dem gefrorenen Boden in unglaublich glattes Eis verwandelt.
Liebe Grüße
Doris
Tina_S
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Tina_S »

nochmal vielen Dank für die vielen Ratschläge! Wir freuen uns schon auf die Reise und werden auch in Tromsö ankommen. Wann auch immer, auf einen Tag hin oder her kommt es uns nicht an.
Eine schöne (Arbeits-?)-Woche Euch Allen!
LG
Tina
ein Troll auf dem Weg nach Norwegen ;-)
Tina_S
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Re: Nordnorwegen im Winter

Beitrag von Tina_S »

Einen Schritt sind wir jetzt weiter, wir fahren ab 04.01 mit dem Kong Harald südwärts. Leider ist HR nicht kulant und wir müssen wirklich von Tromso nach Kirkenes fahren um 1. Rabatt zu bekommen und 2. den PKW kostenlos mitzunehmen. Mit genug Zeit sollte es zu schaffen sein nach Kirkenes zu kommen.

Viele Grüße
Tina


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ein Troll auf dem Weg nach Norwegen ;-)
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