Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

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alien
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von alien »

habs noch mal mit einfacher , mathematik versucht da kam ich auch auf 253 wie du ,habe dann mal meinen lohnzettel von letztem monat angesehen sind genauso utopische zahlen geht also wohl nicht mit einfacher mathematik sorry :cry:
Pauli
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Pauli »

Hallo Leute!

Ich werte den Bericht von Markus Lang als real und nicht als ein modernes Märchen, nur weil seine Zahlen im ersten Moment etwas zu hoch aussehen.

Wenn ich bei einer neuen Firma richtig Fuß fassen will, dann nehme ich doch jede erdenkliche Arbeit an, die mir mein Chef bietet. Überstunden ohne Ende, Wochenend- und Nachtschichten.:idea:

Wo ist das Problem?

Grüße
Markus Lang
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Markus Lang »

Hallo zusammen!

Was soll man dazu sagen! Wir sind und bleiben halt Deutsche, egal wo wir sind. Ich wollte eigentlich nur ein paar Leute mit einem realistischen Erfahrungsbericht ermutigen nach Norwegen zu kommen weil`s hier, aus meiner Sicht, echt lebenswert ist. Stattdessen ernte ich teilweise Spott und Häme. Habe ich was davon hier mit meinem Gehalt zu protzen? Nein, ist ja alles anonym, oder?

Die Rechenspielereien sind auch interessant. Ich habe geschrieben das ich VIER Wochen für eine unseriöse norwegische Leiharbeitsfirma gearbeitet habe und dort statt der versprochenen 135 kr nur 120 kr ohne jegliche Überstundenzuschläge bekam. Das scheint irgendwie untergegangen zu sein. Danach habe ich vier Wochen für eine seriöse Leiharbeitsfirma gefahren, deren Kunde mich sofort eingestellt hat. Mir wurde gesagt, ich könnte zwischen 25 und 27.000 kr verdienen. Und alle meine Gehaltsangaben beziehen sich auf diesen letzten und aktuellen Job. Übrigens: habe ich erst nach meiner Ankunft in Norwegen mit der Arbeitssuche begonnen.

In den letzten ca 5 Monaten habe ich KEINEN Stundenlohn bekommen. Ich werde per Ladung bezahlt. Das Stundenlohn Berechnen habe ich schon lange aufgegeben. Einer der besseren Ladungen dauert z.B. 2 1/4 bis gut 2,5 Stunden. Dafür bekomme ich 437kr. Es kann natürlich auch passieren dass ich gelegentlich mal einen Container ins Stadtzentrum fahren muss und da im Stau hänge. Dann wird`s manchmal schon ein Stundenlohn von wenig über 100kr. Aber ich versuche das zu vermeiden indem ich mich mit dem Disponenten gut verstehe und rauszukriegen bekomme was am nächsten Tag so los ist (man kommt wirklich weiter wenn man Norwegisch lernt wie ein Irrer). Wenn ich sehe das viel los ist dann stehe ich eben schon mal um 3 oder 4 Uhr nachts auf. Das mache ich ganz von selbst obwohl ich da keinen Nacht- oder sonstigen Zuschlag bekommen. Dann passt´s wieder weil ich am Stau vorbeifahre. Stundenlohn bekomme ich nur wenn ich in der Werkstatt stehe. Dann gibt`s 105kr die Stunde. Das versuche ich natürlich tunlichst zu vermeiden.

Wenn ich keinen Tag krankgemeldet war, bekomme ich auf den gesamten Bruttolohn noch 12% "effektivitetstillegg". Per Tag Krankmeldung gibt`s dann halt ein bisschen weniger tillegg, aber das war ich ja nicht. Das hörte sich am Anfang irgendwie komisch und ungesetzlich an steht aber so in den Tarifverträgen die der NLF (Norges lastebileier forbund) ausgehandelt hat. Warum zweifelt ihr überhaupt meinen Lohn an? Das Statistische Zentralbüro (http://www.ssb.no) veröffentlicht doch für jede Berufsgruppe genau was die verdienen. Aktuelle Zahlen für 2005 sind vorhanden. Ich glaube für LKW-Fahrer steht was von 24.000 kr netto drin. Aber berichtigt mich wenn das nicht stimmt.

Zu meinen Arbeitszeiten. Die vorgeschrieben Arbeitszeit für LKW-Fahrer beträgt 9 Stunden pro Tag und darf zweimal die Woche 10 Stunden erreichen. So ungefähr! Das ganze Regelwerk ist natürlich komplizierter. Aber die Spezialisten unter euch wissen das selbstverständlich. Fahrzeitkontrollen gibt es deutlicher seltener als in Deutschland. Wenn es sie aber gibt und es stimmt was mit der Arbeitszeit nicht dann wird´s teuer. Wie teuer, das weiß ich nicht. Aber ich nehme an dass das recht ordentlich ist. Ich habe nur einen Strafzettel in Norwegen geerntet. In einer 50er Zone habe ich mich, blöderweise mit 64km/h blitzen lassen für 4200 kr. Teurer Anfängerfehler. Deshalb wollte ich mich gar nicht erst auf allzuviele Fahrzeittricksereien einlassen. Das einzige was ich gemacht habe war, dass ich einen anderen LKW genommen habe und da noch ne Tour extra drangehängt habe. Das kam aber nur ca. 3-4 mal im Monat vor. Dann habe ich ja eine andere Scheibe die beim Haupt-LKW nicht auftaucht.

Ich habe das Ladungssystem schnell kapiert und versucht so effektiv wie möglich zu arbeiten, mit dem Ergebnis, dass ich oft eine halbe Stunde schneller war als andere. Meine Norwegisch-Kenntnisse haben mir aber auch sehr geholfen. Ich bin gut Freund mit dem Lagerchef und bekomme daher oft die besseren Touren (und weil ich früher beginne). Und wie gesagt die Abladestellen war nur eine Handvoll und man fährt das im Schlaf.

Zu meinem Lohnzettel. Im Juli z.B. habe ich 42.575kr verdient. Tabelltrek 7300 ergibt 14.964 Abzug. Ergibt 27.611kr auf´s Konto. Wie gesagt ich hatte Glück und eine tolle Firma erwischt. Im selben Monat ist mir beinahe der verrostete Auspuff meines PKWs runtergefallen. Und mein Chef hat mir angeboten dass wir den in seiner LKW-Werkstatt reparieren. Ich dachte, dass ich wenigstens für für`s Material bezahlen musste. Nein, nicht mal das! Aber das nur nebenbei. Im Juli sind alle in Ferien. Das heißt kein Stau und immer volle Fahrt. Ich habe kaum die Fahrzeit überschritten und auch nur eine Sonntagstour dabei gehabt.

Was ich lange nicht wusste ist das man auf den Bruttolohn nochmal 10,2% gesetzliches Urlaubsgeld (feriepenger) steuerfrei bekommt. Das habe ich aber logischerweise nicht in die von mir angegebenen Lohnzahlen eingerechnet. Die meisten deutschen Speditionen zahlen ja erst gar nicht Urlaubsgeld aus. Wenn ich keine Freundin hätte und wollte richtig Geld verdienen, würde ich auf den Urlaub im nächsten Jahr verzichten und dann im Juli Lohn plus Urlaubsgeld vom letzten Jahr bekommen. Oder mache ich hier einen Denkfehler? Wie auch immer.

Bei der Berechnung meines Stundenlohns muss man allerdings noch berücksichtigen, dass man nach einer Fahrzeit von 4,5 Stunden noch mind. 45 Min. Pause machen muss. Das bekomme ich natürlich nicht bezahlt; muss man aber irgendwie zumindest teilweise als Arbeitszeit ansehen. Außerdem kommt es ja manchmal vor, dass man auf Ladung warten muss und dass bekomme ich ja auch nicht bezahlt. Das ist aber nicht soviel. Ich weiß nicht wie viele Stunden ich eigentlich arbeite, da ich sie nicht gezahlt bekomme, zähle ich sie auch nicht. Aber ich würde mal 60 Wochenstunden schätzen. Wie gesagt ich „gebe Gas“. In der Mittagspause nehme ich schon mal den Radlader und lade mir meine Container oft selbst. Das ist übrigens in Norwegen gar nicht so selten.

Eine kleine Spedition die ich kenne bezahlt z.B. 32.000kr Festlohn für 50 Wochenstunden aus. Und so üblicher Stundenlohn ist so zwischen 130 und 140 kr. Gelegentlich hört man auch schon mal ein bisschen mehr. Für Langtransport, also mit nur Wochenende frei und im LKW schlafen kommt man auf über 40.000kr inkl. Spesen. Die Spesen betragen meines Wissen in Norwegens so knapp 300kr per Tag.

Die Witterungsverhältnisse sind eigentlich nicht so schlimm. Kam selbst erst im März an und hatte nicht den Eindruck dass ich da langsamer gefahren bin. Die ersten vier Wochen hatte ich einen Verteiler-LKW dessen Reifen mit Spikes bestückt waren. War eigentlich kein Problem. Für schwere LKWs gibt´s die Differentialsperre und außerdem Systeme wie ECAS (Jargon: „boogieknapp“) wo du die dritte Achse heben kannst egal wie schwer du bist. Da hat man dann teilweise über 20 to auf einer Achse und das geht eigentlich gut voran. Schneeketten werden anscheinend selten aufgelegt und wenn dann geht das ja recht schnell mit etwas üben. Und was soll´s: die meisten haben ja Stundenlohn. Das macht ja nix wenn du da mal irgendwo stehst. Außerdem investieren die norwegischen Spediteure recht viel in gute, und was ich bisher gesehen habe, nur nagelneue Winterreifen speziell für den skandinavischen Markt. Allerdings muss man schon sagen dass Ladehöfe etc. teilweise extrem schlecht ausgeräumt werden.

Gleichstellung gilt übrigens auch voll gültig in der Transportbranche. Habe selten so viele Frauen am Steuer gesehen. Da gibt`s aber auch kein Getratsche von wegen „Frau am Steuer...“. Wirklich vorbildlich. Überhaupt ist der Fernfahrerberuf nicht so heruntergekommen wie in Deutschland. Ich habe hier keine Probleme zu sagen, dass ich LKW-Fahrer bin. Wenn ich das einigen Ex-Studienkollegen aus Deutschland (BWLer) erzähle, da heisst`s: „Waaaaaas du fährst LKW!?!?“

Die Aussage dass die norwegische Transportbranche unter Preisdruck leidet, deckt sich leider nicht mit den mir zugänglichen Informationsquellen. In der Oktober-Ausgabe von "Norsk Transport" Ausgabe Oktober 2006, steht z.B. auf Seite 10 zu lesen dass DHL ab 9. Oktober 2006 alle Preise um 4,8% erhöht aufgrund des hohen Mangels an Transportkapazität. Im gleichen Artikel steht zu lesen dass in Norwegen ca. 2-3000 LKW-Fahrer mangeln. CargoNet ist mittlerweile bei Vollauslastung der Schienentransporte angelangt... Aber das nur nebenbei.

So, nun haben die Winkeladvokaten wieder was zu zerpflücken. Stattdessen glaubt man dass Firmen die gute Löhne zahlen unseriös wären. Warum denn? Einerseits wird hier gemosert wie beschissen es in Deutschland zugeht aber wenn man dann von was positivem berichtet ist´s auch wieder nicht recht.

Ich finde in diesem Forum geht es oft sehr eigenartig zu. Stellt man eine Frage als unwissender in Deutschland Lebender, kann man 30-40% der Antworten glattweg vergessen weil die nur von Häme und komischen Wortspielereien und Smilies strotzen. Ein gewisser Rhoeny wollte mal was zu Arbeiten als LKW-Fahrer und Selbständigkeit als Spediteur eröffnen oder einfach nur was wissen. 19 Antworten ohne einzige Mal auf ihn einzugehen. Das ist nur ein´s von vielen Beispielen.

Als Deutscher hat man´s eigentlich so leicht die Sprache zu lernen und sich hier einzuleben. Norwegen braucht Arbeitskräfte und Deutschland ist voll von oft qualifizierten Arbeitslosen. Muss man Leuten die ernsthaft über´s Auswandern nach Norwegen nachdenken so viele komische Kommentare entgegnen und pauschal erstmal alles anzweifeln? Wenn man sich hier mal ein bisschen umkuckt dann kommen die aber nur von wenigen. Die meisten Beteiligten hier wollen ja wirklich helfen, gehen aber oft in einer Ladung „Spam“ unter. Schade.

Oslo ist ja voll von Polen und Balten. Da würde mich mal interessieren wie´s in einem Norwegen-Freunde-Forum für Polen zugeht. Wenn´s uns nach Hartz 28 in zehn Jahren mal beginnt richtig schlecht zugehen dann gehen wir das ganze vielleicht auch etwas ernster an.

Schöne Grüße aus Oslo.


Markus
Barney Bär
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Barney Bär »

WOW, was für ein text!!!

respekt. auch für deine art die sache anzugehen, und dass das dann auch gleich so rund läuft.

und in der tat halt typisch deutsch das neidergehabe ("da MUSS irgendwo ein wurm sein, und ICH der grosse wurmfinder werde ihn ans tageslicht quatschen.") lasses dir bloss nicht vermiesen!

unter der rubrik kultur und sprache hat sich eine norwegische schulklasse angemeldet, oder zumindest ein teil. um von norwegischen schülern gelesen zu werden finde ich eine menge beiträge ganz schön peinlich. :oops: :oops: :oops:

(aua, nein, nicht schon wieder schlagen...! :lol: )

mfg
elskling
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von elskling »

Barney Bär hat geschrieben: und in der tat halt typisch deutsch das neidergehabe ("da MUSS irgendwo ein wurm sein, und ICH der grosse wurmfinder werde ihn ans tageslicht quatschen.") lasses dir bloss nicht vermiesen!
mfg
Was hat Anzweifeln mit Neid zu tun? Was vielleicht typisch deutsch ist, ist das man nicht mehr an das Gute glauben kann, weil man hierzulande oft veralbert wird, sogar in Männerberufen hierzulande ist Zickenterror angesagt, man sticht sich gegenseitig mit Intriegen aus, nur nicht um der Nächste zu sein, der fliegen könnte.

Verzeiht mir, wenn ich dann nicht mehr an das Schlaraffenland glauben kann.

Was Du Markus Lang Spam nennst, zeigt nur das Du wutig zu sein scheinst. Das finde ich widerum schade. Da Du die Lage in Deutschland noch vor Augen haben müßteset, dürftest Du verstehen, warum so mancher über diesen genialen Verdienst stolpert und ihn unter die Lupe nimmt, weil wir deutschen haben gelernt: "Es gibt nichts geschenkt".

Sicherlich bekommt man nicht immer hier sofort Antwort, aber mir wurde größtenteils total geholfen. Die kleinen Scherze nebenbei sind doch gerade das erfrischende. Deutschland ist schon so viel zu ernst.

Schließlich ist hier auch ein Norweger zu Wort gekommen, der wohl auch noch seine Heimat kennt :wink:

Ich glaube jede Währung ist mehr wert als Zloty, daher sehe ich die Polen nicht unbedingt als Beweismittel an.

Sorry, wenn ich nach der Bibel zum ungläubigen Thomas gehöre, aber da wir mittlerweile so viel verkokelt wurden, glaube ich erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe. :wink: Nicht übel nehmen!
Elskling ist ein norwegisches Wort und bedeutet nicht Else Kling ;O)
Conny
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Conny »

Hallo an alle im Forum - und guten Morgen, lieber Markus :lol:

ich habe Deine ausfuehrlichen Berichte mit großem Interesse gelesen. Wohlgemerkt: Ich bin keine LKW-Fahrerin, habe keinen Führerschein, bin hier im Forum sicher eine aus der aelteren (oder "erfahrenen") Riege und kenne Norwegen.... - Ich denke, Du bist kein "Aussteiger" im ueblichen Sinne. Wer einen Studienabschluss in Deutschland geschafft hat und sooo viel Pragmatismus beweist (dumme Sprueche ehemaliger Studienkollegen eingeschlossen...), hat' s echt drauf und somit den richtigen Biss, erfolgreich im Ausland zu arbeiten. Das zeigen u.a. Deine Hinweise zum Norwegisch-Lernen.

Deine Infos von gestern Abend zeigen - fuer mich jedenfalls - Nachvollziehbares, so dass ich keinen Grund sehe, Deine Zeilen anzuzweifeln. Ich moechte hier im Forum niemand bewusst Neid unterstellen, verstehe jedoch auch, dass Deine Schilderung naturgemaess etwa Zweifel oder Unglaeubigkeit hervorrufen koennen . . .

Meine Bitte an Dich: Halt' uns bitte weiter auf dem Laufenden. Auf diese Weise kannst Du wirklich (!) Auswanderungswilligen mit echtem Durchhaltevermögen zahlreiche Tipps und Anregungen geben.

Alles Gute Dir und Deiner Freundin - herzliche Gruesse, Conny
Bisher Ägypten-Fan, gerade auf dem Wege, Norwegen auch schön zu finden!
Harald96
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Harald96 »

Markus Lang hat geschrieben: Lohn ist wirklich OK! Ich habe so ca. 35.000 bis 44.000 kr im Monat. Bin jeden Abend zuhause, Wochenende frei. Und über 29000 kr netto im Monat habe ich wirklich keine Geldprobleme.
Also, Jahresgehalt 420.000 - 528.000 kr.

Ich kann es leider nicht ganz verstehen!

Aus http://www.jobbfeber.no/

"Yrke: Yrkessjåfør Alternativt navn: Lastebil- og vogntogfører
Inntekt: Gjennomsnittslønnen for sjåfører kommunalt ansatt er i 2006 kr 278.000.- inkl overtid."
Wohl dem, dem Seefahrt ein Geheimnis blieb!
camillchen
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von camillchen »

Harald96 hat geschrieben:[

"Yrke: Yrkessjåfør Alternativt navn: Lastebil- og vogntogfører
Inntekt: Gjennomsnittslønnen for sjåfører kommunalt ansatt er i 2006 kr 278.000.- inkl overtid."
Ich denke "kommunalt ansatt" ist hier ganz wichtig. Im privaten Sektor kann man bedeutlich mehr verdienen.
elskling
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von elskling »

Conny hat geschrieben:und somit den richtigen Biss, erfolgreich im Ausland zu arbeiten.
Markus Lang hat geschrieben: Ich bin gut Freund mit dem Lagerchef und bekomme daher oft die besseren Touren (und weil ich früher beginne). Und wie gesagt die Abladestellen war nur eine Handvoll und man fährt das im Schlaf.
Meines Erachtens brauch' man dafür kein Studium. Nicht jeder hat das Glück gemocht zu werden oder nicht jeder mag sich drum bemühen bester Freund vom Lagerchef zu sein, weil ihm das einfach unangenehm ist aus deutschen Zeiten.

Manche haben ein Sprachtalent, manche nicht, egal ob mit Abitur oder ohne.

Wie es ausschaut ist es ein Job, der wenig Freizeit hat und ständig hinterm Lenker zu sitzen ist echt kein Zuckerschlecken. Ich beneide ihn unter diesen Aspekten nicht um sein echt schönes Gehalt.
Elskling ist ein norwegisches Wort und bedeutet nicht Else Kling ;O)
Pauli
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Pauli »

Markus Lang hat geschrieben:Hallo zusammen!

Was soll man dazu sagen! Wir sind und bleiben halt Deutsche, egal wo wir sind. Ich wollte eigentlich nur ein paar Leute mit einem realistischen Erfahrungsbericht ermutigen nach Norwegen zu kommen weil`s hier, aus meiner Sicht, echt lebenswert ist. Stattdessen ernte ich teilweise Spott und Häme. Habe ich was davon hier mit meinem Gehalt zu protzen? Nein, ist ja alles anonym, oder?

Die Rechenspielereien sind auch interessant. Ich habe geschrieben das ich VIER Wochen für eine unseriöse norwegische Leiharbeitsfirma gearbeitet habe und dort statt der versprochenen 135 kr nur 120 kr ohne jegliche Überstundenzuschläge bekam. Das scheint irgendwie untergegangen zu sein. Danach habe ich vier Wochen für eine seriöse Leiharbeitsfirma gefahren, deren Kunde mich sofort eingestellt hat. Mir wurde gesagt, ich könnte zwischen 25 und 27.000 kr verdienen. Und alle meine Gehaltsangaben beziehen sich auf diesen letzten und aktuellen Job. Übrigens: habe ich erst nach meiner Ankunft in Norwegen mit der Arbeitssuche begonnen.

In den letzten ca 5 Monaten habe ich KEINEN Stundenlohn bekommen. Ich werde per Ladung bezahlt. Das Stundenlohn Berechnen habe ich schon lange aufgegeben. Einer der besseren Ladungen dauert z.B. 2 1/4 bis gut 2,5 Stunden. Dafür bekomme ich 437kr. Es kann natürlich auch passieren dass ich gelegentlich mal einen Container ins Stadtzentrum fahren muss und da im Stau hänge. Dann wird`s manchmal schon ein Stundenlohn von wenig über 100kr. Aber ich versuche das zu vermeiden indem ich mich mit dem Disponenten gut verstehe und rauszukriegen bekomme was am nächsten Tag so los ist (man kommt wirklich weiter wenn man Norwegisch lernt wie ein Irrer). Wenn ich sehe das viel los ist dann stehe ich eben schon mal um 3 oder 4 Uhr nachts auf. Das mache ich ganz von selbst obwohl ich da keinen Nacht- oder sonstigen Zuschlag bekommen. Dann passt´s wieder weil ich am Stau vorbeifahre. Stundenlohn bekomme ich nur wenn ich in der Werkstatt stehe. Dann gibt`s 105kr die Stunde. Das versuche ich natürlich tunlichst zu vermeiden.

Wenn ich keinen Tag krankgemeldet war, bekomme ich auf den gesamten Bruttolohn noch 12% "effektivitetstillegg". Per Tag Krankmeldung gibt`s dann halt ein bisschen weniger tillegg, aber das war ich ja nicht. Das hörte sich am Anfang irgendwie komisch und ungesetzlich an steht aber so in den Tarifverträgen die der NLF (Norges lastebileier forbund) ausgehandelt hat. Warum zweifelt ihr überhaupt meinen Lohn an? Das Statistische Zentralbüro (http://www.ssb.no) veröffentlicht doch für jede Berufsgruppe genau was die verdienen. Aktuelle Zahlen für 2005 sind vorhanden. Ich glaube für LKW-Fahrer steht was von 24.000 kr netto drin. Aber berichtigt mich wenn das nicht stimmt.

Zu meinen Arbeitszeiten. Die vorgeschrieben Arbeitszeit für LKW-Fahrer beträgt 9 Stunden pro Tag und darf zweimal die Woche 10 Stunden erreichen. So ungefähr! Das ganze Regelwerk ist natürlich komplizierter. Aber die Spezialisten unter euch wissen das selbstverständlich. Fahrzeitkontrollen gibt es deutlicher seltener als in Deutschland. Wenn es sie aber gibt und es stimmt was mit der Arbeitszeit nicht dann wird´s teuer. Wie teuer, das weiß ich nicht. Aber ich nehme an dass das recht ordentlich ist. Ich habe nur einen Strafzettel in Norwegen geerntet. In einer 50er Zone habe ich mich, blöderweise mit 64km/h blitzen lassen für 4200 kr. Teurer Anfängerfehler. Deshalb wollte ich mich gar nicht erst auf allzuviele Fahrzeittricksereien einlassen. Das einzige was ich gemacht habe war, dass ich einen anderen LKW genommen habe und da noch ne Tour extra drangehängt habe. Das kam aber nur ca. 3-4 mal im Monat vor. Dann habe ich ja eine andere Scheibe die beim Haupt-LKW nicht auftaucht.

Ich habe das Ladungssystem schnell kapiert und versucht so effektiv wie möglich zu arbeiten, mit dem Ergebnis, dass ich oft eine halbe Stunde schneller war als andere. Meine Norwegisch-Kenntnisse haben mir aber auch sehr geholfen. Ich bin gut Freund mit dem Lagerchef und bekomme daher oft die besseren Touren (und weil ich früher beginne). Und wie gesagt die Abladestellen war nur eine Handvoll und man fährt das im Schlaf.

Zu meinem Lohnzettel. Im Juli z.B. habe ich 42.575kr verdient. Tabelltrek 7300 ergibt 14.964 Abzug. Ergibt 27.611kr auf´s Konto. Wie gesagt ich hatte Glück und eine tolle Firma erwischt. Im selben Monat ist mir beinahe der verrostete Auspuff meines PKWs runtergefallen. Und mein Chef hat mir angeboten dass wir den in seiner LKW-Werkstatt reparieren. Ich dachte, dass ich wenigstens für für`s Material bezahlen musste. Nein, nicht mal das! Aber das nur nebenbei. Im Juli sind alle in Ferien. Das heißt kein Stau und immer volle Fahrt. Ich habe kaum die Fahrzeit überschritten und auch nur eine Sonntagstour dabei gehabt.

Was ich lange nicht wusste ist das man auf den Bruttolohn nochmal 10,2% gesetzliches Urlaubsgeld (feriepenger) steuerfrei bekommt. Das habe ich aber logischerweise nicht in die von mir angegebenen Lohnzahlen eingerechnet. Die meisten deutschen Speditionen zahlen ja erst gar nicht Urlaubsgeld aus. Wenn ich keine Freundin hätte und wollte richtig Geld verdienen, würde ich auf den Urlaub im nächsten Jahr verzichten und dann im Juli Lohn plus Urlaubsgeld vom letzten Jahr bekommen. Oder mache ich hier einen Denkfehler? Wie auch immer.

Bei der Berechnung meines Stundenlohns muss man allerdings noch berücksichtigen, dass man nach einer Fahrzeit von 4,5 Stunden noch mind. 45 Min. Pause machen muss. Das bekomme ich natürlich nicht bezahlt; muss man aber irgendwie zumindest teilweise als Arbeitszeit ansehen. Außerdem kommt es ja manchmal vor, dass man auf Ladung warten muss und dass bekomme ich ja auch nicht bezahlt. Das ist aber nicht soviel. Ich weiß nicht wie viele Stunden ich eigentlich arbeite, da ich sie nicht gezahlt bekomme, zähle ich sie auch nicht. Aber ich würde mal 60 Wochenstunden schätzen. Wie gesagt ich „gebe Gas“. In der Mittagspause nehme ich schon mal den Radlader und lade mir meine Container oft selbst. Das ist übrigens in Norwegen gar nicht so selten.

Eine kleine Spedition die ich kenne bezahlt z.B. 32.000kr Festlohn für 50 Wochenstunden aus. Und so üblicher Stundenlohn ist so zwischen 130 und 140 kr. Gelegentlich hört man auch schon mal ein bisschen mehr. Für Langtransport, also mit nur Wochenende frei und im LKW schlafen kommt man auf über 40.000kr inkl. Spesen. Die Spesen betragen meines Wissen in Norwegens so knapp 300kr per Tag.

Die Witterungsverhältnisse sind eigentlich nicht so schlimm. Kam selbst erst im März an und hatte nicht den Eindruck dass ich da langsamer gefahren bin. Die ersten vier Wochen hatte ich einen Verteiler-LKW dessen Reifen mit Spikes bestückt waren. War eigentlich kein Problem. Für schwere LKWs gibt´s die Differentialsperre und außerdem Systeme wie ECAS (Jargon: „boogieknapp“) wo du die dritte Achse heben kannst egal wie schwer du bist. Da hat man dann teilweise über 20 to auf einer Achse und das geht eigentlich gut voran. Schneeketten werden anscheinend selten aufgelegt und wenn dann geht das ja recht schnell mit etwas üben. Und was soll´s: die meisten haben ja Stundenlohn. Das macht ja nix wenn du da mal irgendwo stehst. Außerdem investieren die norwegischen Spediteure recht viel in gute, und was ich bisher gesehen habe, nur nagelneue Winterreifen speziell für den skandinavischen Markt. Allerdings muss man schon sagen dass Ladehöfe etc. teilweise extrem schlecht ausgeräumt werden.

Gleichstellung gilt übrigens auch voll gültig in der Transportbranche. Habe selten so viele Frauen am Steuer gesehen. Da gibt`s aber auch kein Getratsche von wegen „Frau am Steuer...“. Wirklich vorbildlich. Überhaupt ist der Fernfahrerberuf nicht so heruntergekommen wie in Deutschland. Ich habe hier keine Probleme zu sagen, dass ich LKW-Fahrer bin. Wenn ich das einigen Ex-Studienkollegen aus Deutschland (BWLer) erzähle, da heisst`s: „Waaaaaas du fährst LKW!?!?“

Die Aussage dass die norwegische Transportbranche unter Preisdruck leidet, deckt sich leider nicht mit den mir zugänglichen Informationsquellen. In der Oktober-Ausgabe von "Norsk Transport" Ausgabe Oktober 2006, steht z.B. auf Seite 10 zu lesen dass DHL ab 9. Oktober 2006 alle Preise um 4,8% erhöht aufgrund des hohen Mangels an Transportkapazität. Im gleichen Artikel steht zu lesen dass in Norwegen ca. 2-3000 LKW-Fahrer mangeln. CargoNet ist mittlerweile bei Vollauslastung der Schienentransporte angelangt... Aber das nur nebenbei.

So, nun haben die Winkeladvokaten wieder was zu zerpflücken. Stattdessen glaubt man dass Firmen die gute Löhne zahlen unseriös wären. Warum denn? Einerseits wird hier gemosert wie beschissen es in Deutschland zugeht aber wenn man dann von was positivem berichtet ist´s auch wieder nicht recht.

Ich finde in diesem Forum geht es oft sehr eigenartig zu. Stellt man eine Frage als unwissender in Deutschland Lebender, kann man 30-40% der Antworten glattweg vergessen weil die nur von Häme und komischen Wortspielereien und Smilies strotzen. Ein gewisser Rhoeny wollte mal was zu Arbeiten als LKW-Fahrer und Selbständigkeit als Spediteur eröffnen oder einfach nur was wissen. 19 Antworten ohne einzige Mal auf ihn einzugehen. Das ist nur ein´s von vielen Beispielen.

Als Deutscher hat man´s eigentlich so leicht die Sprache zu lernen und sich hier einzuleben. Norwegen braucht Arbeitskräfte und Deutschland ist voll von oft qualifizierten Arbeitslosen. Muss man Leuten die ernsthaft über´s Auswandern nach Norwegen nachdenken so viele komische Kommentare entgegnen und pauschal erstmal alles anzweifeln? Wenn man sich hier mal ein bisschen umkuckt dann kommen die aber nur von wenigen. Die meisten Beteiligten hier wollen ja wirklich helfen, gehen aber oft in einer Ladung „Spam“ unter. Schade.

Oslo ist ja voll von Polen und Balten. Da würde mich mal interessieren wie´s in einem Norwegen-Freunde-Forum für Polen zugeht. Wenn´s uns nach Hartz 28 in zehn Jahren mal beginnt richtig schlecht zugehen dann gehen wir das ganze vielleicht auch etwas ernster an.

Schöne Grüße aus Oslo.


Markus
Hallo Markus,

vielen Dank für deinen fröhlich lockeren Text, du bist eine große Bereicherung für dieses Forum!

Liebe Grüße aus dem Sauerland.
alfnie
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Registriert: Mi, 09. Jul 2003, 0:15
Wohnort: Møre og Romsdal, Norwegen

Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von alfnie »

Wie camillchen schon sagt: 135 sind die Basis. Also die "Ba-sis", das Fundament. Netto-Löhne, wie Markus sie hier vielleicht etwas beglückseelt auflistet, sind natürlich nicht die Regel. Da muss man schon was für tun. Und Markus scheint einer der Glücklichen zu sein, der der nötige Chupze hat, aus einem Fundament was zu machen. Und er hat's gemacht ! Sowas les' ich tausendmal lieber, wie die endlose Erbsenzählerei von vielen, die noch nicht mal wissen, was sie überhaupt wollen und sich trotzdem nicht zu schade sind, alle anderen Meinungen kleinbrötlerisch negativ in den Wind zu kehren. Kurz & gut: Es gibt in Norge mehr als genug Möglichkieten. Für den, der sich etwas zutraut, das nicht von vorne bis hinten mit weichen Kissen unter den Armen abgesichert ist.
Fröhliche Grüsse vom Ex-Nordfriesen
Harald96
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Registriert: Sa, 05. Nov 2005, 13:58

Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Harald96 »

camillchen hat geschrieben:
Harald96 hat geschrieben:["Yrke: Yrkessjåfør Alternativt navn: Lastebil- og vogntogfører
Inntekt: Gjennomsnittslønnen for sjåfører kommunalt ansatt er i 2006 kr 278.000.- inkl overtid."
Ich denke "kommunalt ansatt" ist hier ganz wichtig. Im privaten Sektor kann man bedeutlich mehr verdienen.
Glaub' ich nicht!! Fuer solche Berufe gibt es doch Tarif-Loehne!!
Und Ueberstunden sind schon einbegriffen!!

Und was mit dieser Feier (fuer nichts), sie sollte doch 6.000 kr. pro LKW-Fahrer gekostet haben?? Und am Weihnachten noch teurer?? Wahnsinn!!!

Nein, leider spricht "Markus Lang" wohl nicht die ganze Wahrheit hier 8)
Wohl dem, dem Seefahrt ein Geheimnis blieb!
Manfredm
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Manfredm »

Also ich bin kein Stück neidisch auf ihn. Die ganze Woche auf´n Bock sitzen und keine Zeit haben um das schöne viele Geld ausgeben können ... :wink:
Also mit einem regulären 37,5 Stunden Jobb ist ein Jahresgehalt von 420.000 - 528.000 kr ja wohl nicht drin, oder man ist vielleicht overlege. Siche ich erzählen meinen alten Kollegen auch das es hier viel Geld zu verdienen gibt (in meinem Beruf ca 1/3 mehr und deutlich weniger Stress) , die meisten glauben es jedoch nicht. Ich fange aber nicht an und rechne alles an Sonderzulagen und Überstundengeld zusammen. Nochmal, ich finde es super, das er hier ohne Problem zurechtkommt, aber alles in rosaroten Farben darzustellen muß auch nicht sein. Dies ist auch kein Land wo Milch und Honig fließen....
Markus Lang
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von Markus Lang »

Hallo zusammen!

Da habe ich ja wirklich was angefangen. Wie gesagt ich möchte hier nur aufklären wie man in Norwegen was aus seinem Leben machen könnte. Ich werde bald 30 und habe keine Lust arbeitslos zuhause zuhocken. Das es in Deutschland schlecht läuft weiß ich natürlich. Habe während meines Studiums knapp zwei Jahre lang in Spanien verbracht. Zwischendurch 3-mal 3 Monate (Semesterferien) in London gearbeitet. Da dachte ich schon ich verdiene gut mit vielen Stunden. Bevor ich nach Norwegen gekommen bin, war ich ein knappes Jahr in Frankreich. Ja, und in Deutschland wird´s noch so kommen wie´s in Paris jetzt schon ist. Dann brennt´s auch bei uns. Biedermeier und die Brandstifter zündeln in Deutschland ja schon heftig. Und der Schröder hat´s uns noch so richtig gezeigt. Ich muss schon sagen dass ich irgendwie auch feige bin. Man könnte ja auch was an den Umständen in Deutschland ändern. Ich hab halt den Weg des geringsten Widerstands gewählt.

Es klang mal an dass Norwegen ein Land der Möglichkeiten ist. Das stimmt auch. Braucht man nur mal mit der BRD zu vergleichen. Z.B. ist das Warenangebot so gering hier. Im Media-Markt gibt`s ja 20 Meter Mobiltelefon zur Auswahl und Elkjøp, Lefdal und Expert haben da gerade mal 5 Meter zu bieten. Ich habe versucht ein schnurloses Telefon zu kaufen. Es gibt hier nur Doro und Siemens und manchmal ein Philips zur Auswahl. Bei Faxgeräten gibt´s zwischen 0 und 3 Stück zur Auswahl. In Oslo, der Hauptstadt Norwegens. Es gibt ja hier kaum Konkurrenz. Tine ist der große Milchlieferant und Q-Meieri der andere. Q hat aus unerfindlichen Gründen finanzielle Probleme und verlangt Stütze vom Staat. Habe Angst davor was passiert wenn Q dicht macht. Gilde und Prior dürfen sich jetzt zusammentun. Diese marktbeherrschende Stellung (bei Geflügelprodukten nahezu 70%) ist in Deutschland ja fast nur im „deregulierten“ Energiemarkt möglich (dank Werner Müller, dank Schröder). Z.B. habe ich mir überlegt, man könnte doch eine deutsche Bäckerei und eine deutsche Metzgerei aufmachen. Bis jetzt habe ich nur einen guten Metzger gefunden in Torshov. Bitte nagelt mich nicht fest, ich arbeite ja teilweise 60 Stunden und habe besseres zu tun als einen ordentlichen Metzger zu suchen.

In Oslo gibt´s ne Menge stinkreicher die sich aber dank des „janteloven“ nicht so outen können. Aber die hätten sicher Lust gutes Brot zu essen. Und „deutsch“ verkauft sich gut in Norwegen. In der Thorvald Meyers gate hat jetzt ein Öko-Brot-Laden („Godt brød“) aufgemacht. Top-Design, Wahnsinnspreise und mittelmäßiges Brot - aus deutscher Sicht. Aber rammelvoll. Die beste Auswahl an Qualitätsgemüse und ein bisschen Schmankerln gibt`s bei Sultan, Markveien. Billige Preise, Qualität, vier Sorten exotischer Käse, mürrische Araber. Aber rammelvoll. Der Metzger in Torshov. Ein Paar selbstgemachte Würste, ein bisschen Frischfleisch, einige wenige verpackte Import-Delikatessen, schweineteuer. Aber rammelvoll. Ich bin Betriebswirt, leider kein Metzger, Bäcker oder Gemüsehändler. Und habe trotz guten Lohns doch noch nicht soviel auf die Seite gekriegt um diese Investition in Metzgerei-Maschinen stemmen zu können. Aber ich bin gespannt was ihr dazu sagt.

Das Thema Auto ist ja hier heiß diskutiert. Und generell wird ja davon abgeraten sich mit Autos die Finger zu verbrennen. Aber wenn ich die Fähre nehme dann sind da immer ein Drittel bis die Hälfte Autos mit deutschem Export-Kennzeichen. Nachts um drei Richtung Hirtshals rauf überholt man sich ja permanent nach unsynchronisierten Pinkelpausen. Ich habe mich mal mit ein paar Norwegern unterhalten die da solche Autos „schieben“. Opa kann noch passabel deutsch („Kampf um Norwegen“ äußerst interessant) und macht den radebrechenden Übersetzer und fährt das zweite erstandene Auto wenn der Enkel nach erfolgreicher mobile24.de-Suche einen Auftrags-Wagen gefunden hat. Alle können gut davon leben. Wie gesagt, ich bin wirklich kein Spezialist zum Thema Auto. Ich bin nur ein Mensch mit zwei Augen. Aber fahrt selbst auf die Fähre und unterhaltet Euch mit Norwegern. Kann ja jeder machen. Habe übrigens drei Jahre in einer Logistik-Software-Firma gearbeitet und möchte mich dahin orientieren. Da habe ich gar nicht so schlechte Chancen nach den ersten Bewerbungen in der Logistik bald meinen Traumjob zu finden.

Heute habe ich mal bei einer dieser Wohn-Container-Burgen angehalten und einfach mal mit den Leuten da gequatscht. Da lief mir ein dänischer Schreiner über den Weg. Er hat bei Adecco angeheuert und verdient 160kr die Stunde plus Überstundenzuschläge etc. Für Miete in einem dieser Wohn-Container werden ihm 1.700 kr monatlich abgezogen. Die Container sind kein Luxus, aber sauber mit Heizung, Dusche, Klo, Warmwasser und Küchengelegenheit. Für europäische Staatsbürger die nicht länger als 2 Jahre in Norwegen arbeiten wollen gibt´s 15% günstigere Steuer. Er war voll zufrieden. Ich habe auch gefragt ob da auch Deutsche als Schreiner arbeiten. Ja, die gibt´s. Aber leider spricht der deutsche Schreiner, trotz Adecco-Kurs weder Norwegisch noch Englisch. Ich komme aus Bayern und da ist die Schreiner-Ausbildung der letzte Notanker bei Abbruch eines Architektur-Studiums im letztmöglichen Semester. Im Raum München kann man mit arbeitslosen Schreinern die Maximilianstraße gut füllen. Der deutsche Schreiner arbeitet dann im Messebau für 25 EUR die Stunde und hat in den großen Messestädten seinen Haschdealer und vermeidet durch einen alten VW-Buss die Angabe eines festen Wohnsitzes weil er meistens nur einer großen Messebaufirma eine Rechnung schreibt und damit voll in die Scheinselbständigkeitsfalle latscht. Für´s Rechnungschreiben hat er meistens viel Zeit zwischen den verschiedenen Messen.

In der Zeitschrift „skogeieren“ Ausgabe Nr. 10 vom 16. Oktober 2006 steht auf Seite 26/27 zu lesen dass ein ausländischer Schreiner von 225 bis 275 kr Stundenlohn (mit und ohne „fagbrev“) für Säuberungs- und Erhaltungsmaßnahmen von Jungwald von Hüfthöhe bis 6-8 Meter Stammhöhe verdienen kann. Zugegebenermaßen mit eigener Ausrüstung, also Motorsäge, Motorsense und Schutzkleidung. Ein norwegischer Schreiner stellt ca. 300 kr die Stunde in Rechnung und norwegische Firmen verlangen noch 20-30% mehr. Die Kosten dieser Erhaltungsmaßnahmen werden vom norwegischen „skogfond“ hoch bezuschusst. Wer macht´s? Unser Kollege aus Osteuropa. Gut, in den Wäldern des Vestland ist ein Haschdealer halt schwer aufzutreiben. Aber das ist doch wohl besser als sich im Biergarten selbstzubemitleiden. Warum die deutschen Schreiner in den brakkerburgen weder deutsch noch englisch können, konnte mir der Däne leider auch nicht sagen. Die Frage wieviel man verdienen könnte wenn man als Schreiner fließend Norwegisch könnte, ist mir leider erst jetzt gekommen. Die „bedriftsundersøkelse” 2006 der AETAT für Oslo/Akershus ergab einen Einstellungsbedarf für ca. 2.100 tømrer. Snekker waren leider nicht extra spezifiziert. Nachzulesen unter http://www.nav.no (früher AETAT). Da stehen auch interessante Zahlen für andere Berufsgruppen drin.

Hier wurde ein paar Mal gesagt, Norwegen sei wirklich kein Schlaraffenland. Es wäre nicht richtig zu sagen Norwegen ist ein Schlaraffenland. Wie gesagt ich verdiene gut, arbeite aber hart und vor allem lange dafür. Sowohl im Job, an der Sprache und an der „Kulturanpassung“. Aber drei mal drei Tage sich selber krankschreiben zu können mit „egenmelding“... Davon kann man in Deutschland nur träumen. Und alle finden das hier OK. Der durchschnittliche Krankenstand ist momentan bei fast 8% angelangt. Und keiner braucht das Wort „Faulenzer“. Oder "Freizeitpark" (H. Kohl, oder?)

Kjell Mange Bondevik, Ex-statsminister Norwegens, ließ sich im Herbst 1998 drei einhalb Wochen wegen einer „kort og lett depressiv reaksjon“ krankschreiben. Alle diskutierten aber keiner lachte oder schüttelte den Kopf. Stelle mir gerade vor, Bush geht sich mitten in einem Krieg gegen die Schurken dieser Welt wegen einer Depression vier Wochen in Kur. Was hatte dieser nordmann wohl für Sorgen? In einem Land wo „statens pensjonsfond-utland“ 2007 bei 2,1 Billionen kronen liegen wird. Wenn Merkel eine Depression kriegt weil die „garantiert-nicht-kommende-MWSt-Erhöhung“ dann „plötzlich“ doch notwendig ist um Geister-Haushaltslöcher zu stopfen, hätte ich da vollstes Verständnis dafür dass die Frau das seelisch nicht verkraftet.

Zu den 6.000 kr für`s Firmafest: Es kommt noch besser! Das war ja nur das Firmenfest meiner Spedition mit allen eingeladenen Ehefrauen bzw. Lebenspartnern. Kurz vor Weihnachten werden wir noch ein Weihnachtsessen veranstalten. Auch wieder mit Frau oder Freundin. Ich habe ca. 4 Monate fest bei einem Kunden Container gefahren. Dort ist es Tradition nach Ende des Mai-Stresses eine kleine Bootstour für alle Angestellten mit Anhang zu veranstalten. Obwohl ich dort nicht angestellt bin, wurde ich herzlich eingeladen mitzukommen. Heute bekam ich einen Anruf des Disponenten dieser Firma und wurde mit Anhang zu der Weihnachtsfeier (julebord) eingeladen. Dieses Mal soll`s über´s Wochenende per Boot nach Kopenhagen gehen. Diese Einladung hat mich doch überrascht, da ich ja doch seit ein paar Wochen nicht mehr für die gefahren bin. Bei solchen Feiern war immer meine Freundin auch mit eingeladen. Das Essen war äußerst oppulent und Getränke-Coupons gab`s im Überfluss, d.h. der (in Norwegen ja teure) Alkohol floss oder wird in Strömen fließen und ne ordentliche Ladung Schalentiere mussten ihr Leben für uns lassen.

Ich würde mal sagen, dass diese beiden Firmen in 2006 insgesamt mindestens 15.000 kr an Festen für mich (inklusive meiner Freundin) springen haben lassen bzw. werden. Der Arbeitskraftmangel in Norwegen ist anscheinend so groß, dass es Firmen hier wert ist mich mit soviel Geld bei Laune zu halten. Wohlgemerkt ich arbeite als LKW-Fahrer, einer der schmierigsten, verachtetsten miesest bezahlten Jobs Deutschlands, für den die betrieblichen Weihnachtsfeiern schon lange Accenture-Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen sind. Nicht als Unternehmensberater oder einer Ackermanns Aktiendealern. Ich fühle mich da manchmal schon ein bisschen wie im Schlaraffenland, in dem ich bereit bin für guten Lohn, anständiges Leben, Zukunftsperspektiven und gegenseitige Wertschätzung, mich richtig anzustrengen. Aber wahrscheinlich mache ich mich mit diesen letzten Zahlen erst richtig lächerlich.

Und noch etwas zu meinem Lohn: Ein Fernfahrer in Deutschland der nur jedes Wochenende daheim ist, d.h. Freitag Nacht oder Samstag früh heimkommen und Sonntag 22 Uhr wieder raus, verdient 2000 EUR brutto plus steuerfrei zwischen 15 und 25 EUR pro Tag. Ich bin jeden Tag zuhause und das Wochenende beginnt Freitags zwischen 16 und 18 Uhr und hält bis Montag 4 bis 7 Uhr. Hab also ein geregeltes Leben. Bis zur Wiedervereinigung haben sich die Fernfahrer in Deutschland übrigens noch locker zwei Häuschen hingestellt.

Ich wollte hier nur ein Thema starten um von meinen positiven Erfahrungen zu berichten und einige Leute dazu zu ermutigen mit positiver Lebenseinstellung, Arbeitslust und kultureller Offenheit nach Norwegen zu kommen. Ich habe davon nichts wenn diese kommen! Zugegebenermaßen war ich nur ca. 7 Monate hier, das ist wohl nicht so der Erfahrungsschatz wie ihn andere in diesem Forum vorweisen können. Meine Erfahrungen waren aber durchweg positiv und ich bin hier rundherum glücklich. Es ist doch hier so oft die Rede davon wie schlecht es in Deutschland geht. Hier läuft`s besser. Und wenn ihr wirklich Lust habt was auf die Beine zu stellen und ranzuklotzen ist Norwegen deutlich besser als eine Ich-AG als „Anita`s Nagelstudio“. Ohne Deppen-Apostroph habt ihr da aber sowieso nicht die geringste Überlebenschance auf diesem engen Markt. Auch wenn ich manchmal vom Thema LKW abweiche, so war das alles doch Teil meiner Erfahrungen und ich führe es einfach an. Vielleicht hilft´s ja jemandem.

Würde mich über die gesammelten Erfahrungen eines LKW-Fahrers in Norwegen sehr freuen.

Es ist jetzt fast vier Uhr nachts und ich setz mich auf den "Bock" und fahr zwei Ladungen "brennbart restavfall" nach Skarnes. Da spar ich mir heute durch Stauvermeidung ne glatte Stunde Arbeitszeit. Ohne einen Nachtzuschlag zu bekommen. Ohne Befehl

Tja, und da wäre nochmal Herr Bondevik, der angeblich einmal behauptete:
”Det var ikke noe rosenrødt svart/hvitt-bilde jeg tegnet her.”
rover
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Re: Arbeiten als LKW-Fahrer in Oslo - Erfahrungsbericht

Beitrag von rover »

Hallo Markus,

ich kann dich nur bewundern und wünsche dir viel erfolg in norwegen (wird wohl kein problem werden).

Und viel spass bei den diversen weihnachsfeiern; es wäre schon schön wenn die arbeitgeber hier auch mal die angehörigen mit einladen würden.

alles gute

rover
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