Schule und Unterricht in Norwegen
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Schule und Unterricht in Norwegen
Hei!
Vor sieben Jahren bin ich nach Norwegen ausgewandert, zuerst dachte ich eigentlich nur an ein Lehrerstudium, aber Land, Leute und das Leben hier haben mir so gut gefallen, dass ich dann hiergeblieben bin. "Hier" ist in Kristiansand, wo die Sonne am meisten lacht und die Südnorweger sich von ihrer koseligsten Seite zeigen:)
Nach 5 Jahren Studium an der Uni arbeite ich nun seit schon fast 2 Jahren als Kontaktlehrerin in einer 10. Klasse. Unterricht und Schulsystem sind superverschieden von dem was in Deutschland abgeht, hat meiner Meinung nach seine positiven, manchmal aber auch negative Seiten..
Wenn du dich für Schule und Unterricht in Norwegen interessierst, Fragen hast oder einfach nur mal hallo sagen willst, stehe ich gerne zur Verfügung:)
Vor sieben Jahren bin ich nach Norwegen ausgewandert, zuerst dachte ich eigentlich nur an ein Lehrerstudium, aber Land, Leute und das Leben hier haben mir so gut gefallen, dass ich dann hiergeblieben bin. "Hier" ist in Kristiansand, wo die Sonne am meisten lacht und die Südnorweger sich von ihrer koseligsten Seite zeigen:)
Nach 5 Jahren Studium an der Uni arbeite ich nun seit schon fast 2 Jahren als Kontaktlehrerin in einer 10. Klasse. Unterricht und Schulsystem sind superverschieden von dem was in Deutschland abgeht, hat meiner Meinung nach seine positiven, manchmal aber auch negative Seiten..
Wenn du dich für Schule und Unterricht in Norwegen interessierst, Fragen hast oder einfach nur mal hallo sagen willst, stehe ich gerne zur Verfügung:)
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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Hei!
Das ist sehr interessant. Wir haben geplant, in den nächsten 1-2 Jahren nach Norge auszuwandern, je nachdem, wann es klappt. Wir möchten da nix überstürzen.
Unser Sohn ist jetzt 4 Jahre alt und würde somit in Norwegen eingeschult werden.
Wie schaut denn das norwegische Schulsystem aus? Soviel ich gehört habe, wird da auch viel in der freien Natur gemacht. Stimmt das? Gibt es Ganztagesschulen? Wir möchten gerne beide arbeiten, und sollten daher auch wissen, wie wir das mit der Kinderbetreuung nachmittags lösen können.
Wenn wir erst in knapp zwei Jahren umziehen sollten, welche Möglichkeit gibt es dann für den kleinen Mann, Norwegisch zu lernen?
Viele Grüße
fjordsteffi
Das ist sehr interessant. Wir haben geplant, in den nächsten 1-2 Jahren nach Norge auszuwandern, je nachdem, wann es klappt. Wir möchten da nix überstürzen.
Unser Sohn ist jetzt 4 Jahre alt und würde somit in Norwegen eingeschult werden.
Wie schaut denn das norwegische Schulsystem aus? Soviel ich gehört habe, wird da auch viel in der freien Natur gemacht. Stimmt das? Gibt es Ganztagesschulen? Wir möchten gerne beide arbeiten, und sollten daher auch wissen, wie wir das mit der Kinderbetreuung nachmittags lösen können.
Wenn wir erst in knapp zwei Jahren umziehen sollten, welche Möglichkeit gibt es dann für den kleinen Mann, Norwegisch zu lernen?
Viele Grüße
fjordsteffi
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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
dass sich ziemlich viel draussen abspielt, ist richtig, das wetter spielt dabei kaum eine rolle.
als nachmittagsbetreuung gibts das sog. sfo, das kostet aber extra.
ansonsten solltet ihr dem kleinen aber wenigstens ein paar monate eingewøhnung gønnen, sonst ist so ein ganzer tag in einer sprache, die man nicht versteht, sehr, sehr anstrengend, und das dann die ganze woche - ich weiss nicht.
grundsætzlich ist es aber so, dass dem jungen dann wohl ein/e hilfslerher/in zur seite steht, ausserdem bekommt er extra sprachunterricht in der schule "bis er dem unterricht folgen kann".
allerdings duerfte es sich bei dieser eingewøhnungsphase wirklich nur um ein paar monate handeln, die kleinen lernen das rucki-zucki.
als nachmittagsbetreuung gibts das sog. sfo, das kostet aber extra.
ansonsten solltet ihr dem kleinen aber wenigstens ein paar monate eingewøhnung gønnen, sonst ist so ein ganzer tag in einer sprache, die man nicht versteht, sehr, sehr anstrengend, und das dann die ganze woche - ich weiss nicht.
grundsætzlich ist es aber so, dass dem jungen dann wohl ein/e hilfslerher/in zur seite steht, ausserdem bekommt er extra sprachunterricht in der schule "bis er dem unterricht folgen kann".
allerdings duerfte es sich bei dieser eingewøhnungsphase wirklich nur um ein paar monate handeln, die kleinen lernen das rucki-zucki.

Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Hallo
wir wollen auch nach Norwegen....aber erst so in 2,5 Jahren.
Ich möchte gerne während meines Studiums die Praktika eventuell in Norwegen machen, einmal 4 Wochen und dann nochmal ein halbes Jahr.
Zur Zeit besucht mein Sohn die erste Klasse.
Weißt du ob er dort überhaupt in eine Schule gehen kann für so einen begrenzten Zeitraum?
Sprache lernen geht im Januar los
Gruß

wir wollen auch nach Norwegen....aber erst so in 2,5 Jahren.
Ich möchte gerne während meines Studiums die Praktika eventuell in Norwegen machen, einmal 4 Wochen und dann nochmal ein halbes Jahr.
Zur Zeit besucht mein Sohn die erste Klasse.
Weißt du ob er dort überhaupt in eine Schule gehen kann für so einen begrenzten Zeitraum?
Sprache lernen geht im Januar los

Gruß
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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
dein sohn verliert meiner meinung nach nur zeit, weil er anfangs dem stoff kaum folgen kønnen wird (auch wenns fuer ihn wohl nicht schwer sein wird, der stoff mein ich).
in oslo gibts aber eine deutsche schule.
in oslo gibts aber eine deutsche schule.
Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Hallo Carmencita,
habe da eine Frage an dich und dir eine PN geschrieben.
Danke
paraplü
habe da eine Frage an dich und dir eine PN geschrieben.
Danke
paraplü
Alles wird gut.
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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
fjordsteffi hat geschrieben:Hei!
Das ist sehr interessant. Wir haben geplant, in den nächsten 1-2 Jahren nach Norge auszuwandern, je nachdem, wann es klappt. Wir möchten da nix überstürzen.
Unser Sohn ist jetzt 4 Jahre alt und würde somit in Norwegen eingeschult werden.
Wie schaut denn das norwegische Schulsystem aus? Soviel ich gehört habe, wird da auch viel in der freien Natur gemacht. Stimmt das? Gibt es Ganztagesschulen? Wir möchten gerne beide arbeiten, und sollten daher auch wissen, wie wir das mit der Kinderbetreuung nachmittags lösen können.
Wenn wir erst in knapp zwei Jahren umziehen sollten, welche Möglichkeit gibt es dann für den kleinen Mann, Norwegisch zu lernen?
Viele Grüße
fjordsteffi
hei fjordsteffi,
...und so ist das bei uns:
wir sind auch vor einiger Zeit nach Norwegen gezogen. Unsere Tochter (gerade 6 geworden), wurde vor 5 Wochen eingeschult. Das mit dem Extraunterricht für norwegische Sprache habe ich auch schon mal irgendwo gelesen, aber das trifft nicht auf die Schule unserer Kleinen zu. Das gibt aber dem Kind und seinem Lernverhalten kaum Abbruch meiner Meinung nach, weil viel praktische Sachen gemacht werden: z.B. Buchstaben werden nicht im Buch gelernt, sondern die wurden hier selbstgebastelt und werden auf der Bank hin- u. hergeschoben, so wird das Lesen erlernt. Mathe genauso: sie schieben, z.B. kleines Spielzeug hin und her, was die Kids zu Hause zusammengestellt haben. Es werden auch Muster gelegt aus Papier um logisches Denken zu fördern. Also sehr viel ist mit Aktion verbunden. Unsre Tochter schaut immer bei den anderen Kindern. Ihre Lehrerin spricht ein wenig Deutsch, sodass sie ihr auch erklären kann. Wir üben jetzt am Anfang natürlich zu Hause noch, da unsre Tochter ein wenig hinterherhängt, da die Schule schon am 18. August angefangen hat.
Die Schüler gehen jeden Tag raus toben egal wie das Wetter ist, auch bei Regen sielen sie sich im Schlamm. Einmal wöchentlich ist Schwimmen angesagt, genauso Lagerfeuer mit Würstchengrillen im Wald und Lernen in der Natur.
Also, obwohl unsre Kleine noch nichts oder nicht viel norwegisch versteht, geht sie sehr gern in die Schule - von Anfang an. Ich denke auch in dem Alter lernen die Kleinen sehr schnell die Sprache.
In unserer Schule wird auch SFO (Hort) angeboten. Von 7.00Uhr - 17.00 Uhr. Kostet extra.
Die Kinder einer Bekannten, gehen z.B. in die deutsch/norwegische Schule nach Oslo. Dort bekommen die Kinder extra- norweg. Sprachunterricht. Sie sind auch sehr zufrieden mit der Schule, viele Freizeitaktivitäten, etc.
Hilsen...
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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
in der ersten klasse ist das wohl noch nicht tragisch, spætestens ab der dritten aber schon. und dass in einer schule mit ansonsten keinen oder kaum auslænderkindern nicht sofort ein geeigneter sprachlehrer gewehr bei fuss steht, ist auch klar. auch die schule muss erst mal den lehrer und die mittel dazu bei der kommune beschaffen.lappedykker hat geschrieben: wir sind auch vor einiger Zeit nach Norwegen gezogen. Unsere Tochter (gerade 6 geworden), wurde vor 5 Wochen eingeschult. Das mit dem Extraunterricht für norwegische Sprache habe ich auch schon mal irgendwo gelesen, aber das trifft nicht auf die Schule unserer Kleinen zu.
der gesonderte sprachunterricht trifft strenggenommen ausnahmslos auf jede schule zu, es steht næmlich so im norwegischen gesetz.
allerdings muss man die leute ja auch nicht quælen, wenn das kind auf grund der klassenstufe und des unterrichtaufbaus ohnehin nur wenig probleme hat.

wie war das noch? anfangs bin ich mit dem woerterbuch in der tasche rumgelaufen, jetzt frage ich meine kinder.

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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Was das norwegische Schulsystem bis zur 10. Klasse meiner Meinung nach am meisten vom deutschen unterscheidet, ist dass
1. die barneskole (Grundschule) bis zur 7. Klasse geht.
2. die Schüler hier erst ab der 8. Klasse Noten bekommen, also nach dem Wechsel in die ungdomsskole (Jugendschule).
3. es keine Unterteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium gibt, da die Norweger es als Diskriminierung betrachten, Kindern Stempel wie "du bist dumm" oder "du bist schlau genug" aufzudrücken. Es gibt kein Elitedenken, alle werden als gleich angesehen. Daraus folgt, dass auch
4. körperlich behinderte Kinder in der ungdomsskole integriert sind und als vollwertige Menschen angesehen werden. Ihnen steht ein persönlicher Assistent zu, der ihnen im Unterricht zur Seite steht.
5. der Lehrplan (Kunnskapsløftet) keine konkreten Innhalte oder Methoden vorschreibt, sondern Ziele setzt, was die Schüler nach der 4., nach der 7. und nach der 10. Klasse können sollen. Konsequenz: Breite Variation im Unterricht
Es stimmt, dass sich Schule oft draussen abspielt, die Norweger sind sehr naturverbunden. Wenn mich jemand fragt, was ich typisch norwegisch finde, sind meine Topp 3 immer: 17. mai, brunost (brauner süsslicher Käse) und å gå på tur (raus in die Natur gehen). Manche Grundschulen haben sogar einen festen Tag, den sie immer draussen verbringen - egal wie das Wetter ist.. Bei uns an der Ungdomsskole ist das nicht mehr der Fall, aber auch wir sind häufiger draussen unterwegs;) Hier ein paar Eindrücke von unterschiedlichen Aktivitäten in den verschiedenen Jahreszeiten:
Frühling – Hier können die Mädels zeigen, was sie bei den Spiders (Pfadfindern) gelernt haben!
Sommer – Sandvolleyball in der großen Pause
Schüler gegen Lehrer, bei wem platzt die Wasserbombe?!?
Herbst – Wer baut auf Zeit die beste Bahre? Teamarbeit angesagt!
Winter – Ski- und Snowboard fahren lernen hier alle!
1. die barneskole (Grundschule) bis zur 7. Klasse geht.
2. die Schüler hier erst ab der 8. Klasse Noten bekommen, also nach dem Wechsel in die ungdomsskole (Jugendschule).
3. es keine Unterteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium gibt, da die Norweger es als Diskriminierung betrachten, Kindern Stempel wie "du bist dumm" oder "du bist schlau genug" aufzudrücken. Es gibt kein Elitedenken, alle werden als gleich angesehen. Daraus folgt, dass auch
4. körperlich behinderte Kinder in der ungdomsskole integriert sind und als vollwertige Menschen angesehen werden. Ihnen steht ein persönlicher Assistent zu, der ihnen im Unterricht zur Seite steht.
5. der Lehrplan (Kunnskapsløftet) keine konkreten Innhalte oder Methoden vorschreibt, sondern Ziele setzt, was die Schüler nach der 4., nach der 7. und nach der 10. Klasse können sollen. Konsequenz: Breite Variation im Unterricht
Es stimmt, dass sich Schule oft draussen abspielt, die Norweger sind sehr naturverbunden. Wenn mich jemand fragt, was ich typisch norwegisch finde, sind meine Topp 3 immer: 17. mai, brunost (brauner süsslicher Käse) und å gå på tur (raus in die Natur gehen). Manche Grundschulen haben sogar einen festen Tag, den sie immer draussen verbringen - egal wie das Wetter ist.. Bei uns an der Ungdomsskole ist das nicht mehr der Fall, aber auch wir sind häufiger draussen unterwegs;) Hier ein paar Eindrücke von unterschiedlichen Aktivitäten in den verschiedenen Jahreszeiten:
Frühling – Hier können die Mädels zeigen, was sie bei den Spiders (Pfadfindern) gelernt haben!
Sommer – Sandvolleyball in der großen Pause
Schüler gegen Lehrer, bei wem platzt die Wasserbombe?!?
Herbst – Wer baut auf Zeit die beste Bahre? Teamarbeit angesagt!
Winter – Ski- und Snowboard fahren lernen hier alle!
Zuletzt geändert von carmencita am Sa, 22. Nov 2008, 19:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Hey, wo sind denn die Fotos abgeblieben??? Weiss jemand, wie ich Bilder beilegen kann?
Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Hei,
hätte aus rein beruflicher Interesse mal eine konkrete Frage nach der Effektivität. In Deutschland geht die Diskussion über alternative Unterrichtsformen in Fachkreisen außerhalb der Schulen ja mitunter hoch her. Meines Erachtens ist die Methodik lediglich ein Medium. Ob Unterricht an Schülern vorbeigeht, oder nicht, liegt ausschließlich in den persönlichen Fähigkeiten und der Kompetenz des Lehrers.
Aus dieser Sichtweise würde mich mal interessieren, wie die verallgemeinerte Erfahrung mit den schulischen Leistungen der norwegischen Kindern zu sehen ist. Konkret: Ich höre oft das Argument "Blümchenpädagogik" etc. Hört sich das also alles nur toll an und verschleiert den Bildungsabbau, oder sind norwegische Kinder vergleichbar mit den finnischen? Ist Unterricht zum Anfassen auch der Abstraktionsfähigkeit förderlich, oder werden damit Praktiker erzogen, die wenig Abstraktionsfähigkeit entwickeln?
Und: In den integrativ arbeitenden Schulen in Deutschland herrscht oftmals die Meinung hinter vorgehaltener Hand, dass Integration den Menschen mit Behinderung hilft und den Rest bremmst. Wie ist die Erfahrung in Norge (mit sicher anderen Persönlichkeiten unter der Lehrerschaft, verglichen mit D)? Liegt es wirklich an unserem Beamtentum, oder ist was dran?
Zur Vorbeugung: Bin kein Lehrer- falls hieraus eine heftige Diskussion entbrennen sollte; was nicht in meiner Intention liegt, da ich ernsthaftes Interesse an den Erfahrungen einer Kollegin aus Norge habe.
hätte aus rein beruflicher Interesse mal eine konkrete Frage nach der Effektivität. In Deutschland geht die Diskussion über alternative Unterrichtsformen in Fachkreisen außerhalb der Schulen ja mitunter hoch her. Meines Erachtens ist die Methodik lediglich ein Medium. Ob Unterricht an Schülern vorbeigeht, oder nicht, liegt ausschließlich in den persönlichen Fähigkeiten und der Kompetenz des Lehrers.
Aus dieser Sichtweise würde mich mal interessieren, wie die verallgemeinerte Erfahrung mit den schulischen Leistungen der norwegischen Kindern zu sehen ist. Konkret: Ich höre oft das Argument "Blümchenpädagogik" etc. Hört sich das also alles nur toll an und verschleiert den Bildungsabbau, oder sind norwegische Kinder vergleichbar mit den finnischen? Ist Unterricht zum Anfassen auch der Abstraktionsfähigkeit förderlich, oder werden damit Praktiker erzogen, die wenig Abstraktionsfähigkeit entwickeln?
Und: In den integrativ arbeitenden Schulen in Deutschland herrscht oftmals die Meinung hinter vorgehaltener Hand, dass Integration den Menschen mit Behinderung hilft und den Rest bremmst. Wie ist die Erfahrung in Norge (mit sicher anderen Persönlichkeiten unter der Lehrerschaft, verglichen mit D)? Liegt es wirklich an unserem Beamtentum, oder ist was dran?
Zur Vorbeugung: Bin kein Lehrer- falls hieraus eine heftige Diskussion entbrennen sollte; was nicht in meiner Intention liegt, da ich ernsthaftes Interesse an den Erfahrungen einer Kollegin aus Norge habe.
Har det
Ingo
Ingo
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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Hei Ingo
Um es gleich auf einen Nenner zu bringen: Nein, die schulischen Leistungen norwegische Kinder sind nicht mit den finnischen vergleichbar, da in den Schulen aller skandinavischen Länder nach unterschiedlichen pädagogischen Grundsätzen gearbeitet wird, Was die Effektivität an den norwegischen Schulen angeht, ist wohl davon abhängig, welche Ziele man anstrebt. Nach zwei Jahren Praxis sehe ich immer mehr, dass die Entwicklung sozialer Fähigkeiten, Empathie und Toleranz hier als genauso wichtig angesehen werden wie gute fachliche Leistungen. Norwegische Lehrer versuchen, den ganzen jungen Menschen zu sehen, der da vor ihnen im Klassenzimmer sitzt, und die Intelligenzen zu fördern, die am deutlichsten ausgeprägt sind.
Wenn man sich die Resultate der letzten PISA-Studien anschaut, liegt Norwegen relativ weit von den Spitzenkandidaten entfernt. Wenn man sich weiter anschaut, welche Art von Aufgaben die Schüler lösen sollen, wird einem schnell klar, dass hier vor allem die analytischen Fähigkeiten der Kinder gemessen werden. Die PISA-Studie sagt nichts aus über deren soziale Intelligenz, intrapersonale Intelligenz, visuelle Intelligenz, körperliche Intelligenz, musikalische Intelligenz u.s.w. Damit komme ich auf deine ”Bemerkung hinter vorgehaltener Hand” zurück, dass Integration den Menschen mit Behinderung hilft und den Rest bremst. Bremst in Betracht des Erlernens des Pensums? Nein, da die meisten der integrierten Kinder nicht auf den Kopf gefallen sind, und selbst mit guten Beiträgen kommen, oder in schwierigeren Fällen immer einen Assistenten zur Seite haben, der auch anderen Kindern im Unterricht hilft. Bremst in Betracht des Erlernens von sozialer Kompetenz? Nein. Meiner Meinung nach fördert die Integration von Schülern, die anders sind, Rücksichtsnahme aufeinander, und ist gleichzeitig eine gute Maßnahme gegen Mobbing.
Ich sehe viele positive Seiten am Unterricht hier an norwegischen Schulen, möchte aber nicht verschleiern, dass ich manchmal frustriert bin, weil das Durchschnittsniveau in einer gewöhnlichen Klasse doch niedriger liegt als in Deutschland, und viele Schüler Abstraktionsschwierigkeiten haben. Wie schon gesagt, gehen Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten in ein und dieselbe Klasse, da ist es eine echte Herausforderung für die Lehrer, den Unterricht – wie heisst es doch so schön – der individuellen Entwicklungszone des Schülers anzupassen. Es endet oft damit, dass der Schwierigkeitsgrad auf ein mittleres Niveau gelegt wird, was für die meisten Schüler passt, aber halt nicht für alle!
Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler ist in Norwegen eher kameradschaftlich. Ich bin fast derselben Meinung wie du, dass es von den persönlichen Fähigkeiten und der Kompetenz des einzelnen Lehrers abhängt, ob Unterricht an den Schülern vorbeigeht oder nicht, aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass es ausschließlich davon abhängt. Auswendiglernen, an der Tafel vorrechnen lassen, nachsitzen oder gar eine Klasse wiederholen müssen gibt es hier nicht. Die Vorgesetzten (in diesem Fall Rektor) kontrollieren in keiner Art und Weise, wie der einzelne Lehrer seinen Unterricht gestaltet, alles auf Vertrauensbasis wie in den meisten anderen Berufen auch. Ausserdem gibt es hier in Norwegen etwas, was für mich als Deutsche schwierig ist nachzuvollziehen, und was meiner Meinung nach neben den oben genannten Faktoren den Unterricht negativ beeinträchtigt: Das Jantegesetz, das den kulturellen und politischen Code des Umgehens miteinander beschreibt, und nach dem es verpönt ist, sich selbst zu erhöhen oder sich als besser und schlauer darzustellen als andere.
Noch eine kleine Bemerkung am Schluss: Ehrgeiz wird hier oft nicht honoriert. Die Schüler wissen, dass sie auch ohne allzu gute Noten später gut Geld verdienen können, da fällt ein großes Stück Motivation weg..
Um es gleich auf einen Nenner zu bringen: Nein, die schulischen Leistungen norwegische Kinder sind nicht mit den finnischen vergleichbar, da in den Schulen aller skandinavischen Länder nach unterschiedlichen pädagogischen Grundsätzen gearbeitet wird, Was die Effektivität an den norwegischen Schulen angeht, ist wohl davon abhängig, welche Ziele man anstrebt. Nach zwei Jahren Praxis sehe ich immer mehr, dass die Entwicklung sozialer Fähigkeiten, Empathie und Toleranz hier als genauso wichtig angesehen werden wie gute fachliche Leistungen. Norwegische Lehrer versuchen, den ganzen jungen Menschen zu sehen, der da vor ihnen im Klassenzimmer sitzt, und die Intelligenzen zu fördern, die am deutlichsten ausgeprägt sind.
Wenn man sich die Resultate der letzten PISA-Studien anschaut, liegt Norwegen relativ weit von den Spitzenkandidaten entfernt. Wenn man sich weiter anschaut, welche Art von Aufgaben die Schüler lösen sollen, wird einem schnell klar, dass hier vor allem die analytischen Fähigkeiten der Kinder gemessen werden. Die PISA-Studie sagt nichts aus über deren soziale Intelligenz, intrapersonale Intelligenz, visuelle Intelligenz, körperliche Intelligenz, musikalische Intelligenz u.s.w. Damit komme ich auf deine ”Bemerkung hinter vorgehaltener Hand” zurück, dass Integration den Menschen mit Behinderung hilft und den Rest bremst. Bremst in Betracht des Erlernens des Pensums? Nein, da die meisten der integrierten Kinder nicht auf den Kopf gefallen sind, und selbst mit guten Beiträgen kommen, oder in schwierigeren Fällen immer einen Assistenten zur Seite haben, der auch anderen Kindern im Unterricht hilft. Bremst in Betracht des Erlernens von sozialer Kompetenz? Nein. Meiner Meinung nach fördert die Integration von Schülern, die anders sind, Rücksichtsnahme aufeinander, und ist gleichzeitig eine gute Maßnahme gegen Mobbing.
Ich sehe viele positive Seiten am Unterricht hier an norwegischen Schulen, möchte aber nicht verschleiern, dass ich manchmal frustriert bin, weil das Durchschnittsniveau in einer gewöhnlichen Klasse doch niedriger liegt als in Deutschland, und viele Schüler Abstraktionsschwierigkeiten haben. Wie schon gesagt, gehen Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten in ein und dieselbe Klasse, da ist es eine echte Herausforderung für die Lehrer, den Unterricht – wie heisst es doch so schön – der individuellen Entwicklungszone des Schülers anzupassen. Es endet oft damit, dass der Schwierigkeitsgrad auf ein mittleres Niveau gelegt wird, was für die meisten Schüler passt, aber halt nicht für alle!
Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler ist in Norwegen eher kameradschaftlich. Ich bin fast derselben Meinung wie du, dass es von den persönlichen Fähigkeiten und der Kompetenz des einzelnen Lehrers abhängt, ob Unterricht an den Schülern vorbeigeht oder nicht, aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass es ausschließlich davon abhängt. Auswendiglernen, an der Tafel vorrechnen lassen, nachsitzen oder gar eine Klasse wiederholen müssen gibt es hier nicht. Die Vorgesetzten (in diesem Fall Rektor) kontrollieren in keiner Art und Weise, wie der einzelne Lehrer seinen Unterricht gestaltet, alles auf Vertrauensbasis wie in den meisten anderen Berufen auch. Ausserdem gibt es hier in Norwegen etwas, was für mich als Deutsche schwierig ist nachzuvollziehen, und was meiner Meinung nach neben den oben genannten Faktoren den Unterricht negativ beeinträchtigt: Das Jantegesetz, das den kulturellen und politischen Code des Umgehens miteinander beschreibt, und nach dem es verpönt ist, sich selbst zu erhöhen oder sich als besser und schlauer darzustellen als andere.
Noch eine kleine Bemerkung am Schluss: Ehrgeiz wird hier oft nicht honoriert. Die Schüler wissen, dass sie auch ohne allzu gute Noten später gut Geld verdienen können, da fällt ein großes Stück Motivation weg..
Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Warum sollte man in Schulen Verhältnisse schaffen, die es in der Gesellschaft (gottseidank) nicht gibt, nämlich eine Behindertenfreiezone und eine Ecke, wo alle Behinderten rein gesteckt werden, und das unabhängig davon welche Behinderung sie haben. In Deutschland, finde ich, werden Kinder mit Behinderung, egal wie schwach oder stark, zu schnell abgeschoben. Integration in normale Klassen finde ich erheblich besser, denn behindert bedeutet ja nicht unbedingt, dass die Kinder weniger intelligent als die anderen sind (Autisten und Legastheniker sind häufig sogar überdurschnittlich intelligent) und selbst wenn.. die anderen Kinder lernen, dass Behinderte normale Menschen sind und man diese auch nicht unbedingt mit Samthandschuhen anfassen muss, sondern ganz normal behandeln kann.carmencita hat geschrieben:
Damit komme ich auf deine ”Bemerkung hinter vorgehaltener Hand” zurück, dass Integration den Menschen mit Behinderung hilft und den Rest bremst. Bremst in Betracht des Erlernens des Pensums? Nein, da die meisten der integrierten Kinder nicht auf den Kopf gefallen sind, und selbst mit guten Beiträgen kommen, oder in schwierigeren Fällen immer einen Assistenten zur Seite haben, der auch anderen Kindern im Unterricht hilft. Bremst in Betracht des Erlernens von sozialer Kompetenz? Nein. Meiner Meinung nach fördert die Integration von Schülern, die anders sind, Rücksichtsnahme aufeinander, und ist gleichzeitig eine gute Maßnahme gegen Mobbing.
Ich würde sagen, dass Unterricht immer sehr stark von dem Lehrer abhängt, aber auch von den benutzten Schulbüchern (ich hab' da schon echt schlimmes geseh'n). Ist ein Schulbuch gut aufgebaut, kann man besser damit zu Hause lernen. In Mathe hatten wir damals ein echt tolles Buch, jedes Thema hatte eine Einführung auf einer Doppelseite mit gut nachvollziehbaren Beispielen, da konnte man auch zu Hause sich das Thema nochmal anschauen.. das Buch war aber nicht bunt und hatte wenige Fotos und wurde dann durch ein neues (buntes) Buch ausgetauscht, was nur so von Fehlern wimmelte und teilweise waren Statistikaufgaben im Buch der 7. Klasse, die erst in der Oberstufe lösbar gewesen wären... das Buch wurde wohl nur nach dem Design ausgesucht, sehr schadecarmencita hat geschrieben:
Ich bin fast derselben Meinung wie du, dass es von den persönlichen Fähigkeiten und der Kompetenz des einzelnen Lehrers abhängt, ob Unterricht an den Schülern vorbeigeht oder nicht, aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass es ausschließlich davon abhängt.
Das Ehrgeiz nicht honoriert wird, finde ich schade. Wenn man sich bemüht, sollte man dafür auch Annerkennung bekommen, unabhängig von Noten. Denn Noten sind meiner Meinung die meiste Zeit doch sehr Glückssache und haben oft nichts mit Bemühen und Können zu tun.. ich könnte da Geschichten erzählen, dass würde den Rahmen hier aber total sprengen.Das perfekte System würde Kindern zeigen, wie spannend Wissen sein kann und was für interessante Themen es gibt, da kommt die Motivation von alleine. Man sollte sich einfach von der Idee verabschieden, dass lernen langweilig und öde und anstrengend ist und aufhören, dass den KIndern einzutrichten. Kinder kommen total stolz in die Schule und brennen darauf etwas zu lernen und spätestens nach der Grundschule sind sie total genervt und schule ist blöde.. schade eigentlich, denn das müsste nicht sein..carmencita hat geschrieben:
Noch eine kleine Bemerkung am Schluss: Ehrgeiz wird hier oft nicht honoriert. Die Schüler wissen, dass sie auch ohne allzu gute Noten später gut Geld verdienen können, da fällt ein großes Stück Motivation weg..
Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Liebe Lilith,Lilith hat geschrieben: Warum sollte man in Schulen Verhältnisse schaffen, die es in der Gesellschaft (gottseidank) nicht gibt, nämlich eine Behindertenfreiezone und eine Ecke, wo alle Behinderten rein gesteckt werden, und das unabhängig davon welche Behinderung sie haben. In Deutschland, finde ich, werden Kinder mit Behinderung, egal wie schwach oder stark, zu schnell abgeschoben. Integration in normale Klassen finde ich erheblich besser, denn behindert bedeutet ja nicht unbedingt, dass die Kinder weniger intelligent als die anderen sind (Autisten und Legastheniker sind häufig sogar überdurschnittlich intelligent) und selbst wenn.. die anderen Kinder lernen, dass Behinderte normale Menschen sind und man diese auch nicht unbedingt mit Samthandschuhen anfassen muss, sondern ganz normal behandeln kann.
als Mutter eines Autisten danke ich Dir ganz herzlich für diesen Beitrag. Es ist schön, wie Du mir aus der Seele sprichst und fühlt sich einfach nur gut an, weil das Leben in Deutschland nur allzu oft sehr diskriminierend ist.
Aus dieser Situation heraus weiß ich die Vorteile des norwegischen Schulsystems natürlich sehr zu schätzen. Nein, wir haben nicht direkt teil an diesem System, aber indirekt spüren wir jedes Jahr in Norwegen, dass die Gesellschaft dort eine andere ist. Wir verspüren mehr Toleranz, weniger Begaffen und Tuscheln hinter vorgehaltener Hand. Die soziale Kompetenz, die in norwegischen Schulen vermittelt wird, macht sich für uns ganz deutlich bemerkbar. In Schwimmbädern habe ich schon oft Bademeisterinnen mit Down-Syndrom gesehen und mein Sohn wird von den anderen Kindern nicht angestarrt, sondern mal kurz interessiert angeschaut, was ja normal ist und dann ist gut. Überall auf der Straße, beim Einkaufen usw. ist es kein Spießroutenlauf wie so oft in Deutschland, sondern ein freundliches Miteinander.
Was ich sagen will: diese Kompetenzen wiegen so Vieles auf, was in unserer heutigen Zeit groß geschrieben wird und haben für beide Seiten etwas mit Lebensqualität zu tun.
@carmencita: vielen herzlichen Dank, dass Du so objektiv über das norwegische Schulsystem berichtest und auch die Nachteile aufzeigst. Im Detail war mir das so noch gar nicht klar. Weißt Du, ob in Finnland und Schweden auch behinderte Kinder integriert werden wir in Norwegen?
Viele liebe Grüße
Lucky

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Re: Schule und Unterricht in Norwegen
Hi,
Ich hab Dir mal eine Pn geschrieben.
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