Tromsø
In Tromsø war es glücklicherweise kalt genug, dass endlich ein Ende mit Schneematsch war. Bei der Ankunft herrschte leichtes Schneetreiben und der Boden war von einer dünnen Eisschicht bedeckt.
Den zweiten Tag klarte es dann auf und es ergab sich eine traumhafte Lichtstimmung. Aus meiner Kabine hatte ich einen wunderschönen Ausblick auf die Eismeerkathedrale und endlich konnte ich ausschlafen. (Die unruhigen Nachbarn waren ausgezogen

)
Auf dem Schiff wurde eifrig gearbeitet, Teile der Maschine ausgetauscht sowie alles auf Hochglanz poliert.
Für die Passagiere ergaben sich dadurch Möglichkeiten neue Wege kennenzulernen. So konnte einen Tag der Speisesaal nur durch die Küche erreicht werden. Der Ausgang nach hinten durch die Cafeteria war versperrt, weil dort Teppich verlegt wurde – auf der anderen Seite durfte man auch nicht raus, dort wurde gebohnert.
Zwei andere Rundreisepassagiere wechselten in Tromsø auf die Vesterålen und fuhren weiter nach Norden. Sie schlugen mir vor, ein Rettungsboot der Lofoten zu nehmen und damit nach Süden zu rudern. Natürlich nur, falls es mit dem Zusammenbau der Maschine nicht mehr klappen sollte. Sonst säße ich vielleicht noch im April in Tromsø. Da ich aber auf den Aussichtsberg wollte und laut Turistinfo die Seilbahn erst ab Anfang März fährt, beschloß ich einfach abzuwarten.
In der ersten Nacht kam MS Nordstjernen vorbei. Ich beobachtete von der Lofoten aus das Anlegemanöver und wollte sie dann besuchen gehen. Aber – nirgends war mehr ein Ausgang zu finden. Die Nachtwache erklärte mir, Aussteigen wäre jetzt gerade nicht möglich, da unsere Gangway bei der Nordstjernen wäre – nach deren Auslaufen bekämen wir sie aber sofort zurück.
Damit war mir nun nicht geholfen und so wurde dann die untere Tür geöffnet und zwei schmale Balken vom Schiff zum Kai gelegt. Meine Augen wurden deutlich größer - die erwarten doch hoffentlich nicht, dass ich darüber balanciere?

Mit einer Flachpalette oben drauf ergab sich aber eine ganz passable Gangway. (Da gab es doch diesen netten Reisebericht mit der ausklappbaren Planke... - das ist auf MS Lofoten offenbar sehr wörtlich zu nehmen

)
Auf der Nordstjernen fragten mich dann zwei Mitreisende, ob ich auch "über die Planke gegangen" sei. Wir beschlossen auf dem Rückweg die Gangway einfach heimlich mitzunehmen. Da ich aber bis zur Abfahrt an Bord der Nordstjernen blieb, lag "unsere" Gangway bei meiner Rückkehr wieder am richtigen Platz.
Die Trollfjord am nächsten Tag brauchte für das Anlegemanöver zwar sehr viel länger als MS Nordstjernen, glücklicherweise hatte sie aber ihre eigene Planke dabei.
Auf der Trollfjord war rund um den Pool eine fantastische Eisfläche. Könnte man den Rest des Achterdecks auch noch unter Wasser setzen , ergäbe sich eine nette Schlittschuhbahn. Das wäre dann sogar für mich ein Grund mit dem Schiff zu fahren. So habe ich die Trollfjord nur als erhöhten Aussichtspunkt für einige Fotos genutzt.
An Land waren den ersten Abend sehr viele Sami in traditioneller Tracht, zwei Rentiere und es gab Folkloredarbietungen. Die Tage in Tromsø waren insgesamt sehr interessant, nur die Frage des Reiseleiters: "Ist Dir eigentlich nicht langweilig?" nervte mich gelegentlich.
Nur der letzte Abend dort hat mir gewaltig die Laune verhagelt. Ich bin morgens mehrere Stunden durch die Geschäfte und durch fast sämtliche Straßen gewandert. Zum Lunch war ich kurz auf dem Schiff um direkt danach über die Brücke auf die andere Seite zu gehen. Auf dem Rückweg war ich müde, dadurch unaufmerksam somit bin ich auf einer Eisfläche ausgerutscht und unsanft auf dem Kreuz gelandet. Außer blauen Flecken an Hüfte und Ellenbogen habe ich mir leider auch eine Delle am Objektiv der Kamera zugezogen. (Funktionierte aber noch) Danach wollte ich nur noch eine heiße Dusche und mich einige Stunden aufs Ohr hauen, um bei der Abfahrt um 1:30 wieder fit zu sein.
Nach zwei Stunden Pause auf der Lofoten habe ich dann doch beschlossen, nochmals ein Stück Richtung Brücke zu gehen um die MS Nordkapp bei der Vorbeifahrt zu beobachten. 18:20 habe ich das Schiff verlassen und 18:30 legte die MS Nordkapp pünktlich ab und fuhr Richtung Norden an mir vorbei. Ich beobachtete das Schiff bis es die Brücke passiert hatte, blickte dann zurück und sah zu meinem Entsetzen wie MS Lofoten ablegte. Ein Sprint zurück hat mir nichts mehr geholfen, das Schiff entschwand Richtung Süden am Horizont.
Ratlosigkeit – ich war müde, der Warteraum geschlossen, die Geschäfte ebenfalls (Wochenende), kein Mensch mehr am Kai. Sicher hätte ich irgendwo in eine Kneipe gehen können, aber ich mag überhaupt keinen Alkohol und war auch viel zu nervös. Also bin ich eine Stunde am Kai auf und abgerannt und wurde zusehends wütender. Hätte ich geahnt, dass man mich aussetzt, hätte ich mich wärmer angezogen. (Das einzige Positive an der Situation – die Maschine funktionierte offensichtlich wieder einwandfrei – kam mir erst viel später in den Sinn!)
Immerhin hatte ich außer der Kamera noch die Kreditkarte und den Ausweis dabei. Ich überlegte ernsthaft, falls das Schiff nicht innerhalb der nächsten Stunden auftauchen sollte, ein Taxi zum Flughafen zu nehmen, einen Flug zu buchen und die Rechnung an die Reederei zu schicken mit der Bitte, mein Gepäck zusammenzupacken und nachhause zu senden.
Nun, mir wurde es schließlich zu kalt und ich habe den Kai dann doch verlassen. Nach gut 1,5 Stunden kam auch das Schiff zurück. Müde war ich dann aber nicht mehr, ich habe die folgende Nacht wieder mal kein Auge zubekommen.
Wahrscheinlich ist es für Außenstehende schwer nachzuvollziehen, warum ich mich darüber so aufrege. Aber es ist für mich immer sehr schwer, das Schiff in Bergen zu verlassen und wegfahren zu sehen. Diesen Schock hatte ich in Tromsø einfach noch nicht erwartet.
Außerdem wurde MS Lofoten schon am ersten Tag an einen anderen Kai verlegt. Da hatte ich ausdrücklich darum gebeten über solche Dinge informiert zu werden, da ich einen Schock bekomme wenn mein schwimmendes Hotel bei der Rückkehr verschwunden ist.
(Am ersten Tag waren es aber wirklich nur 100 Meter und unerheblich)
Bleibt noch zu erwähnen, dass der Computer an der Gangway für die Zeit in Tromsø außer Betrieb war und als Abfahrt 1:30 angeschlagen stand. Ich finde das schon extrem unfair. Eine Durchsage 15 Minuten vor Abfahrt hätte in dem Fall völlig ausgereicht.
Außerdem war die Fahrt wohl ein Maschinentest – wären Probleme aufgetreten, hätte ich vielleicht auch 5 Stunden oder länger auf die Rückkehr warten können.
Meine Beschwerde beim Reiseleiter ergab ungefähr diese Antwort: "Tut mir leid, haste halt Pech gehabt! Die Offiziere hätten ihn auch nicht informiert und es hieß einfach sofort losfahren. Er hätte gleich gesagt, während einer Werftliegezeit darf kein Passagier an Bord sein. Da weiß man nie was passiert – wenn man so etwas vermeiden will, muß man halt an Bord bleiben. Außerdem würden die Offiziere Beschwerden sowieso mit einem Achselzucken abtun – beschwer dich doch bei der Reederei!"
Meine Idee war das nicht in Tromsø auf einer Baustelle zu wohnen – ich wollte eigentlich nach Kirkenes bzw. den gleichen Tag mit der Nordstjernen zurück...
Okay, danach war die Reise für mich vom Gefühl her beendet und ich wollte bloß noch nachhause. Irgendwie hatte ich ernsthaftes Bedauern oder eine Entschuldigung erwartet?! Dafür durfte ich mir dann beim Aussteigen in den nächsten Häfen gelegentlich anhören – "Verpass die Abfahrt nicht!"
